Cleopatra heißt Regula Mühlemanns neue CD bei Sony (88985407012), auf der die Schweizer Sopranistin Barockarien singt, welche der legendären Pharaonenkönigin gewidmet sind. Als Ännchen in einer Freischütz-Verfilmung hatte die Sängerin vor Jahren auf sich aufmerksam gemacht, und auch ihre Debüt-CD mit Mozart bei Sony war sehr erfolgreich.
Das aktuelle Programm mit Kompositionen von Graun, Händel, Hasse, Legrenzi, Vivaldi und Mattheson zeigt sie als stilistisch versierte Interpretin und hochrangige Virtuosa hinsichtlich der geforderten Bravour. Mit der Arie der Titelheldin „Tra le procelle assorto“ aus Grauns Cleopatra e Cesare zu Beginn kann Regula Mühlemann dies imponierend bestätigen. Da hört man ein furioses Koloraturfeuerwerk, bei dem sie vom begleitenden La Folia Barockorchester unter Robin Peter Müller mit straffem Tempo und rhythmischen Impulsen getragen wird. Das Werk erlebte 1992 eine bedeutsame Wiederentdeckung an der Berliner Staatsoper unter René Jacobs mit Janet Williams, an deren erotisches Raffinement die Schweizerin zwar nicht heranreicht, ihr bezüglich der Virtuosität aber absolut gewachsen ist.
Die Arien sind in ihrer Abfolge geschickt angeordnet, denn meist wechseln schnelle und getragene Stücke einander ab. So folgt auf Grauns Vertonung des Stoffes die berühmte von Händel mit Cleopatras verzweifeltem Lamento „Se pietà“. Dafür fehlt es dem jugendlich klingenden, fast mädchenhaft anmutenden Sopran allerdings an Reife und Pathos – ein Manko, das auch bei „Va goder senza contrasto“ aus Alessandro Scarlattis Marc’Antonio e Cleopatra ins Gewicht fällt. Mit energischem Zugriff und überraschenden Jauchzern geht sie die Heldin in Hasses Serenata gleichen Titels bei deren Arie „Morte col fiero“ an, während das schmerzliche „Quel candido armellino“ von Cleopatras Selbstmordabsicht geprägt ist. Bei „Squarciami pure il seno“ aus Vivaldis La virtù trionfante dell’amore e dell’odio, owero Il Tigrane verlässt Mühlemann die Dimension gepflegten Schöngesanges und verfällt zugunsten des Ausdrucks in Ausbrüche von keifendem Klang.
Mit Matthesons 1704 an der Hamburger Oper am Gänsemarkt uraufgeführten Oper Die unglückselige Cleopatra findet sich ein Werk deutscher Sprache im Programm der CD. Die beiden Arien „Mein Leben ist hin“ und „Ruhe sanft“ sind beide von elegischem Charakter und werden hier in berührender Schlichtheit wiedergegeben.
Am Schluss überrascht die Interpretin noch mit einer Bonus-Nummer – der Arie „Quando voglio“ aus Sartorios Giulio Cesare in Egitto. Der Sopran steigt hier tief hinab in die Region der Sprechstimme, überrumpelt den Hörer mit rasanten Tarantella-Rhythmen und reizvoll sinnlichem Flair. Bernd Hoppe