Die französische Sopranistin Sandrine Piau ist vor allem berühmt für ihre Auftritte in Barockopern, hin und wieder widmet sie sich aber auch dem Lied. Nun hat sie bei alpha classics eine neue CD mit französischen Liedern aufgenommen.
Das ist nicht die erste Lieder-CD der Sängerin. Mit Klavierbegleitung war sie im französischen Liedrepertoire schon zu hören. Hier sind nun erstmals Orchesterlieder französischer Komponisten des späten 19. Jahrhunderts mit ihr zu hören – in der Regel originale Werke und keine nachkomponierten Instrumentierungen von Klavierliedern.
Das ist mal wieder eine Koproduktion des Labels Alpha Classics mit dem verdienstvollen Zentrum für französische musikalische Romantik (Palazetto Bru Zane) – und deren Mitarbeiter schauen erstmal nicht so genau auf die Komponistennamen, wenn sie sich in den Bibliotheken vergraben, diese Forscher holen vorurteilsvoll alles aus dem Keller, was ihnen gefällt, und so finden sich hier sowohl unbekannte Stücke bekannter Meister wie Camille Saint-Saens, aber auch Lieder sehr wenig bekannter Musiker Louis Vierne oder Gabriel Pierné.
Eine wehmütige Themenauswahl: Dennoch empfand ich die Auswahl der Stücke diesmal recht einförmig, besonders, was ihre Stimmung angeht. Das mag auch an der Übervorsicht der Franzosen liegen, ihre Lied-Sänger in Klangmassen zu ertränken, wenn sie es mit einem Orchester auf und nicht vor der Bühne aufnehmen mussten. (Die Deutschen hatten da weniger Skrupel.)
Kein Schlagzeug und fast nie Blech – das heißt, es umsäuselt uns eine volle Stunde lang ein hochartifizielles, aber mitunter auch einförmiges Gewoge aus Streichern und Holz. Dann die wehmütige Themenauswahl: Erinnerung, Sehnsucht und Verführung lauten die Schwerpunkte, wobei es bei der Verführung wenig handfest zugeht, gemeint ist wohl eher so etwas wie die Verführungskraft der Melancholie. Mir kam nach dem vierten Lied das Leben derart düster vor, dass ich in dieser Stimmung die Leistung von Frau Piau vielleicht nicht ganz objektiv einschätze…
Natürlich gibt es nichts an der Diktion zu meckern, als Französin hat sie Heimvorteil, sie weiß in jeder Nuance, was sie singt, kennt auch doppelbödige Sprechspiele, das schwingt hier natürlich mit, zudem ist sie eine sehr neugierige, aufgeschlossene Sängerin, die sich mit Begeisterung in solche Projekte stürzt. Aber da ist seit Kurzem auch etwas Saures in der Stimme, eine gewisse Larmoyanz, die bei zwei Liedern noch nicht durchschlägt, beim fünften aber vernehmlich wird. Und das ist schade.
Portionsweiser Genuss: Mark Twain empfahl einst, seine Erzählungen nur pralinenartig zu verspeisen, jeden Tag ein oder zwei, nie eine Schachtel pro Tag. Ich empfehle maximal drei Lieder hintereinander. Denn diesmal bilden auch die eingefügten Orchesterstücke Massenets „Valse très lente“ keinen Kontrast, sie bewegen sich auf derselben melancholischen Ebene (Sandrine Piau: „Si J’ai aimé“ – Französische Orchesterlieder | Le concert de la Loge | Julien Chauvin; Alpha classics LC 00516). Matthias Käther