Störende Verpackungen

 

Pures Understatement. Oder kann man diese Frau nicht zeigen. Oben links Alice Coote, The English concert, Harry Bicket, mittig Handel Arias und darunter Hercules, Ariodante, Alcina, Radamisto, Giulio Cesare in Egitto (eigentlich ohne Kommata) steht in vornehmer Zurückhaltung auf dieser Hyperion-Aufnahme (CDA67979). Das spricht für sich. Kein unnötiger Zierrat, wäre da nicht die kleine Figur rechts im Eck, eine Zenobia des vornehmlich in Genua tätigen italienischen Barock-Malers Carlo Antonio Tavella. Mit Zenobia „Quando mai, spietata sorte“ aus Radamisto eröffnet die 47jährige englische Mezzosopranistin ihr 2012 und 2013 aufgenommenes Händel-Programm, mit dem sie zu den Anfängen ihrer Karriere zurückkehrt, nachdem sie mittlerweile die großen Hosenrollen wie Octavian oder Komponist singt.

Alice Coote Hyperion HändelHändel hat sie indessen nie aufgegeben; zuletzt sang sie u.a. am Theater an der Wien in Hercules unter Bicket, der ihr auch bei diesem Programm ein ausgezeichneter Begleiter ist und viele instrumentale Solostellen mit Bravour einstreut. Coote singt Händel mit Eleganz, selbstgenügsamem Ton. Scheint sie sich in Radamisto – bei kuscheligem Tempo – mit sinnlichem Glanz und einer gewissen phlegmatischen Schönheit zu begnügen, so zeigen die drei Arien des Ruggiero aus der Alcina neben der sanften Wehmut, den edlen Phrasen und dem tiefen Ausdruck in langsamen Passagen, dass sie auch in feurig temperamentvollen Szenen wie „Stà nell’Ircana“ brillieren kann. Nach drei Arien der Dejanira aus Hercules singt sie Sestos „Cara speme“ aus Giulio Cesare mit ruhig gefühlvoller Stimmpracht, schließlich drei Arien des Ariodante, wo die etwas schweren Koloraturen, vorsichtigen Verzierungen und steifen Höhen in „Con l’ali di costanza“ zeigen, dass sie sich letztlich bei langsamen Arien, wo sie ihre Stimme mit dezenter Anmut vorführen kann, am sichersten fühlt.

Und dann diese CD, die den Betrachter geradezu anspringt, der sich aber von dem hässlichen Tempesta-Schriftzug, der  als Tattoo auf den nackten Rücken projiziert wurde, nicht abschrecken lassen soll. Der wilde Tempesta-Schriftzug und die Tattoos ziehen sich konsequent über die Innenseiten der aufklappbaren Papphülle, die ein erstaunlich umfangreiches dreisprachiges Beiheft umfasst, worin die Mezzosopranistin erklärt, wie es zu dieser Aufnahme kam: „Alles begann in einer Gewitternacht bei einem Aufenthalt auf Belle-Île-en-Mer, der bretonischen Insel, auf der ich aufgewachsen bin“ (Glossa GCD 923503).  Es braucht diese blöde Verpackung nicht, auch nicht diese persönlichen Erklärungen. Staskiewcz singt ja hübsch genug. Zenobias „Quando mai, spietata sorte“ erlaubt den direkten Vergleich: Staskiewicz scheint weniger selbstverliebt, singt etwas zupackender, drängender, mit charaktervollem, höhensicherem Mezzo. Auch sie wird wunderbar unterstützt von Alexis Kossenko und Les Ambassadeurs, die über die zahlreichen herrlich begleitenden Solomomente hinaus in Ouvertüren von Händel und Vivaldi solistisch glänzen können. Staskiewicz singt aus Händels Agrippina, Serse und Agrippina sowie weitere Arien u. a. von Porpora, aus Vivaldis L’ Olimpiade und Griselda und Pergolesis Adriano in Siria: mit glutvollem Timbre, das in „Ombra mai fu“ sehr gut ankommt, und gestochenen Koloraturen in Vivaldis Griselda, der Ton ist in der Tiefe nicht ganz rund, was Stankiewicz durch die Leidenschaft und Bravour ihres Singens mehr als kompensiert. Rolf Fath