Sempey & friends

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Florian Sempey ist ein international gefragter Interpret der Titelrolle von Thomas’ Hamlet oder des Posa in der französischen Urfassung von Verdis Don Carlos und des Valentin in Gounods Faust. Aber auch als Figaro in Rossinis Barbiere di Siviglia hat er in London und Paris Triumphe gefeiert. So ist die neue CD bei ALPHA überaus willkommen, denn sie ist ganz Rossini gewidmet (791). Es ist das erste Recital des Sängers, aufgenommen im Januar 2021 in der Opéra National de Bordeaux. Deren Orchestre National Bordeaux Aquitaine begleitet unter Leitung von Marc Minkowski, der neben seinem Einsatz für das Barock-Repertoire immer wieder gern auch die Musik Rossinis interpretiert. Der Titel der Platte Figaro? Sì! verweist auf die Erfolgspartie des Baritons, mit der das Programm auch beginnt. Das „Largo al factotum“ darf als Visitenkarte des Franzosen gelten. Er kann hier mit viriler Stimme übermütig auftrumpfen, demonstriert gebührende Flexibilität und findet auch individuelle Nuancen in der sattsam bekannten Nummer. Danach erklingt das Duett mit Rosina („Dunque io son“), in dem die Mezzosopranistin Karine Deshayes mitwirkt und eine wohllautende Stimme hören lässt, die nur in der exponierten Höhe recht streng klingt. Beide servieren das Duo mit Witz und Ironie, wobei Sempey in den Koloraturläufen etwas Mühe offenbart. Später spielt das Orchester noch die sprühende Overture und brilliert da mit meisterhafter Beherrschung des accelerando.

Im Programm wechseln unbekanntere und populäre Nummern. In erstere Kategorie gehören die Arie des Germano, „Amor dolcemente“, aus La Scala di Seta, welche eine perfekte Atemkontrolle verlangt und vom Solisten mit viel Gefühl, im Schlussteil aber auch mit gebührendem Plappern vorgetragen wird, und die des Don Parmenione, „Che sorte che accidente“, aus L’Occasione fa il ladro. Diese entwickelt sich nach hurtigem Beginn zu einem schönen cantabile und endet in atemlos überstürzter Konfusion.

Zu den Klassikern im Rossini-Repertoire zählt La Cenerentola, aus der Sempey das Duett Dandini/Don Magnifico „Un segreto d’importanza“ ausgewählt hat und in dem Bassisten Nahuel Di Pierro den denkbar besten Partner hat. Beide sind sich ebenbürtig in der Bewältigung von Rossinis vokalen Rouladen. Auch Taddeos Duo mit Isabella „Ai capricci della sorte“ aus der Italiana in Algeri ist ein Hit. Hier kommt noch einmal Karine Deshayes mit kapriziösem Flair zum Einsatz und evoziert gemeinsam mit dem Bariton ein Feuerwerk an musikantischer Lust. In der moussierenden Overture kann Minkowski mit dem Orchester erneut sein Gespür für Dynamik und Klangfarben zeigen und der Choeur de l’Opéra National de Bordeaux im Chor „Viva il grande Kaimakan“ vital auftrumpfen.

Zu erwarten war, dass der Sänger auch eine Arie aus dem französischen Repertoire Rossinis auswählen würde – in  diesem Fall die des Raimbaud, „Dans ce lieu solitaire“, aus Le Comte Ory, mit der die Auswahl endet. Sie ist ein Zungenbrecher, verlangt höchste stimmliche Kunstfertigkeit und gibt dem Sänger Gelegenheit, sein Album im Überschwang und in Fröhlichkeit zu beenden. Als Hörer ist man nun versucht, den Champagner zu öffnen (17. 07. 22). Bernd Hoppe