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2022 war Franck-Jahr. 200 Jahre war es her, dass César-Auguste-Jean-Guillaume-Hubert Franck am 10. Dezember 1822 im damals niederländischen Liège geboren wurde. Exakt am Geburtstag fand dann auch am 8. und 10. Dezember 2022 in der Salle Philharmonique der Höhepunkt und Abschluss des Bicentenaire César Franck mit Les Béatitudes, Francks zweistündigem Oratorium für großes Orchester, Chor und acht Gesangssolisten statt. Das Konzert mit dem OPRL, dem Orchestre Philharmonique Royal de Liège, unter seinem Chefdirigenten Gergely Madaras, der sich aus seiner Heimat Verstärkung durch den Ungarischen Nationalchor geholt hatte, erschien mittlerweile beim Brüsseler Label Fuga Libera (2 CDs FUG 817); leider ohne den gesamten Text, den Joséphine-Blanche Colomb aus den acht Seligpreisungen der Bergpredigt paraphrasiert hatte.
Die letzte Lütticher Franck-Großtat, an die ich mich erinnere, war 2012 die Aufführung des Stradella des 15-Jährigen anlässlich der Wiedereröffnung der Opéra Royal de Wallonie nach dreijähriger Renovierung. Nun also Die Seligpreisungen, wobei man sich nur wundern kann, weshalb Francks Hauptwerk, an dem er zehn Jahre bis 1879 arbeite und dessen erste komplette Aufführung erst im Jahr nach Francks Tod stattfand, in Deutschland so gut wie nie aufgeführt wird. Aber auch nicht andernorts. Die beiden CDs sind deshalb willkommen. Auf einen kurzen Prolog folgen acht Sätze, „in denen die Christusworte kontrastierenden irdischen Szenen gegenübergestellt werden. Dem Chor kommt dabei als Kommentator des Geschehens eine bedeutende Rolle zu. Der Schluss des Werkes ist ein überwältigender Hymnus: der Einzug ins Paradies“. Jeder der Abschnitt ist von geradezu überwältigender andachtsvoller Ausdruckskraft. Irdische Plage, Klagen und Verzweiflung, himmlische Erlösung und schließlich „Hosianna“: Eine Grand opéra für Heilssucher. Opernhaft gleich das Tenorsolo mit Chor im Prolog, den der mehrfach bei Rossini-in-Wildbad aufgetretene Artavazd Sargsyan mit dem sanften Silberklang eines typischen französischen Tenors singt. Die folgenden acht Seligpreisungen sind jeweils großdimensionierte, in der Regel viertelstündige spätromantische Tableaux mit zumeist mehreren Gesangssolisten, die als Stimme Christi, Mater dolorosa (Mutter Gottes), Satan oder eine Vielzahl weiterer Personen in Erscheinung treten, zuzüglich eines himmlischen und zweier irdischen Chöre.
Madaras breitet die üppigen Gemälde als opernhafte Andachtsbilder aus, lässt den ungarischen Chor die Aktion kräftig vorantreiben und klangvoll ausschöpfen. Ist in der Ersten Seligpreisung neben den irdischen und himmlischen Chören nur die Stimme Christi zu vernehmen, der Bariton David Bizic, so treten bereits in der Zweiten Seligpreisung sämtliche Solisten auf, die mit Ausnahme des Satans Patrick Bolleire auch in der Folge kleine „Partien“ übernehmen: die Sopranistin Anne-Catherine Gillet, die beiden Mezzosopranistinnen Héloise Mas und Ève-Maude Hubeaux, die Tenöre John Irvin und Artavazd Sargsyan, David Bizic sowie die Bässe Patrick Bolleire und Yorck Felix Speer. Man kann sich dem Reiz dieser Andachtsbilder schwer entziehen, wenngleich die verzückte Hingabe und der andächtige Text gelegentlich etwas formelhaft wirken. Aber Franck hat die Texte wunderbar dramatisch illustriert und Gergely Madaras, die Königlichen Philharmoniker von Liège sowie die Chöre und Solisten loten die leidenschaftlichen Szenen und schönen Worte aufwühlend und sinnlich aus, geschliffen im Gesamtklang, exquisit in den feinen Linien, aufbrausend und geschmeidig.
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Zur gleichen Zeit, genauer im November 2022, hat sich Sandrine Piau ins Auditorium de la Cité des Arts in Besançon gegeben, um ihr Clair-Obscur betiteltes Berg-Strauss-Zemlinsky-Album durch Reflet zu ergänzen (Alpha 1019). Zuerst sei die ingeniöse Begleitung durch das Orchestre Victor Hugo und Jean-François Verdier erwähnt, die gleich bei „Le spectre de la rose“ auffällt und die Sängerin in diesem reichhaltigen Programm sicher trägt. Man liebt die Nuits d’Été von Berlioz gesungen von üppigeren und volleren, auch farbenreicheren Stimmen, die in diesen Sommernächten schwelgen und baden und den Text von Gautier kosen. Piau findet im Frühherbst ihrer Karriere einen aufrechten Ton, wenngleich man merkt, wie sehr sie sich anstrengen muss. Auch die folgenden Lieder von Duparc, Koechlin, Ravel, Debussy und Britten gestaltet sie mit ihren Möglichkeiten ziemlich gut, vor allem gelingt ihr das glitzernde, spätromantisch angeleuchtete Changieren der Gauthier-, Baudelaire- und Verlaine-Gedichte. Besonders gelungen scheint mir das impressionistische Farbenspiel und die enge Wort-Ton-Durchdringung in den drei „Poèmes de Stéphane Mallarmé“ von Maurice Ravel. Eine Entdeckung sind die frühreifen „Quatre Chansons Françaises“, die der 14jährige Benjamin Britten seinen Eltern widmete, bevor er ins Internat nach Norfolk ging und in denen man geradezu die Kinder aus The turn of the screw sprechen hört (11.02.24). Rolf Fath