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Seit ihrer Salome bei den Salzburger Festspielen ist die litauische Sopranistin Asmik Grigorian ein Star auf den internationalen Opernbühnen. Das Label ALPHA CLASSICS hat eine längerfristige Zusammenarbeit mit der Künstlerin geplant, die mehrere Aufnahmeprojekte umfassen soll. Deren erstes widmet sich überraschend nicht der Oper, sondern bringt ein Recital mit 19 Romanzen von Sergei Rachmaninov, entstanden im April 2021 in Paris (ALPHA 796). Der Titel der Anthologie Dissonance wurde der gleichnamigen Komposition op. 34 Nr. 13 entnommen, welche das Programm eröffnet. Der russisch-litauische Pianist Lukas Geniusas begleitet die Sängerin am Flügel – eine Zusammenarbeit von absoluter Harmonie, die den Titel der Platte Lügen straft.
Die Stimme der Grigorian ist von starker Intensität, im Klang zuweilen gar bohrend, was das Hören nicht leicht macht. Man muss sich auf dieses Organ einstellen, sich ihm öffnen. Man kann diese Platte nicht nebenbei hören – sie verlangt absolute Konzentration und Hingabe.
„Dissonace“ leitet das Klavier energisch ein, dann erhebt sich der Sopran mit klagenden, sich grell steigernden Tönen, denn das Lied handelt von Abschiedsschmerz. Das folgende („Du bist wie eine Blume“) als Verherrlichung kindlicher Schönheit ist dazu ein starker Kontrast, auch durch den sanften, innigen Klang der Stimme. „Ich warte auf dich“ ist Ausdruck von Sehnsucht, „Trauere nicht um mich“ der Trost eines gestorbenen Menschen für den überlebenden. Hier färbt Grigorian ihre Stimme dunkel ein und verleiht ihr den Ausdruck von Entrücktheit. In „Dämmerung“ klingt sie fast mädchenhaft zart, in „Sie antworteten“ leidenschaftlich. Noch expressiver und sich in exponierte Höhen aufschwingend ist „Glaube mir nicht, mein Freund“. Zu den bekanntesten Kompositionen Rachmaninovs zählt „Singe nicht, meine Schöne“ auf einen Text von Puschkin mit ihrer melancholischen Stimmung, welche die Sängerin sehr schön einfängt. In der Popularität wird sie nur noch von den rauschenden „Frühlingsfluten“ übertroffen, die viele Sänger gern als Zugabe in ihren Liederabenden offerieren. Das Lied verlangt Aufschwünge in großer Steigerung, denen die Solistin hinsichtlich der Stimmschönheit Tribut zollen muss.
Danach gibt es in „Der Traum“ wieder zarte Nuancen und in „Welch Glück!“ gefühlsmäßigen Überschwang, bei dem die Spitzennoten forciert werden und in schmerzender Intensität erklingen. Bei „In der Stille der Heiligen Nacht“ kann die Sopranistin die Töne dann wieder schweben lassen und im letzten Lied der Sammlung, „Lasst uns ruhen!“, einen Schlusspunkt von prophetischer Ruhe setzen (03. 06. 22). Bernd Hoppe