Problematischer Aufbruch in den Verismo

 

Manchmal wünschte man sich, Opernsänger würden sich nur singend äußern, um nicht den hervorragenden Eindruck, den sie mit ihrem Gesang machen, zumindest teilweise durch törichte Äußerungen zu mindern. Elina Garanča hatte bereits mit ihrer Autobiographie leicht verstörend gewirkt, nun hat sie auch das Booklet zu ihrer neuen CD mit dem Titel Revive (Wiederbelebt) geschrieben, die von den „schwachen Momenten starker Frauen“ handeln soll.  Man muss ja nicht unbedingt die einzelnen Tracks einer CD zu einem Thema passend zusammenstellen, versucht man dies aber, dann sollte es wenigstens stimmen, was mit Adriana Lecouvreur, Dalila, Eboli im Schleierlied, Marina, Preziosilla, der Leoncavallo-Musetta oder Anna Bolena in Saint-Saens Oper Henry VIII nicht der Fall ist, denn die sind zumindest zu dem Zeitpunkt, in dem sie ihre Arie singen, gar nicht schwach.

Anlass für die CD ist nach Booklet das Debüt mit Garančas erster Verismo-Partie, der Santuzza, die sie bereits konzertant gesungen hat, Ende dieses Jahr aber auch szenisch in Paris verkörpern wird. Die Sängerin behauptet, Laura aus La Gioconda lohne sich nicht zu studieren, da das Werk kaum aufgeführt werde, es gebe nur wenige junge Rollen für Mezzosopran in italienischen Opern und die Sängerin der Azucena müsse mindestens 60 Jahre alt sein, da der Tenor ja an die 45 Jahre auf den Stimmbändern trage. Den Wahrheitsgehalt aller dieser Aussagen kann man leicht überprüfen.

Auch die biographischen Bezüge, die zu den einzelnen Debüts hergestellt werden, so Schwangerschaft und Krebsdiagnose der Mutter, sind eher peinlich als erhellend. Und die Unterstellung, der Käufer der CD könne meinen, ein spanisches Orchester (Orquestra de la Comunitat Valenciana unter der Leitung des Italieners Roberto Abbado!) könne keine italienische oder französische Musik spielen, scheint auch nicht von dieser Welt zu sein.

Das also zum Booklet, dessen Verfassen man in Zukunft bei weiteren CDs eher dazu Berufenen überlassen sollte. Die vielen schönen Fotos allerdings erfreuen sicherlich uneingeschränkt die Fans.

Wesentlich besser ist es um die CD selbst bestellt. Sie beginnt mit Santuzzas Arie, die mit einem wahrlich begnadeten Timbre und erstklassiger Technik gesungen wird, mit einem leidenschaftlichen „l’amai“, aber insgesamt zu sehr auf reinen Schöngesang bedacht und mit, das zieht sich durch fast die gesamte CD, zu verwaschener Diktion. Die findet sich auch bei der Principessa di Bouillon, besonders  deutlich auf „ogni ombra nella notte incesa“, versöhnlich stimmt die bruchlos angebundene tiefe Lage, das generös gesungene „stella d’Oriente“. Mit Berlioz‘ Dido sollte die Sängerin eigentlich vor Jahren an der DOB debütieren, und für die sanfte Karthager-Königin eignet sich die Stimme vorzüglich, auch für die im Abschied nachklingenden „nuits d’ivresse“. Noch kein „Don fatal“ lässt sich aus dem Mezzo heraushören, wohl aber das hier vertretene Schleierlied der Eboli, bei dem nur die hohen Extremtöne etwas aus dem insgesamt deliziösen Rahmen fallen, die Koloraturfähigkeit trotz des Reifens der Stimme beachtlich ist. Sehr verführerisch und mit schöner, reicher Agogik lässt sich Dalila vernehmen, während sich Marina in ihren Zukunftshoffnungen in einen wahren Taumel hineinsteigert. Adrianas „umil‘ ancella“ zielt auf den hohe Ton hin, der bei dem in der Mittellage wunderschönen Mezzosopran nicht recht aufblühen will. Massenets Hérodiade schwelgt am schönsten in den Erinnerungen an glücklichere Zeiten, von wunderbarem Ebenmaß ist Mignons Sehnsuchtslied, Preziosillas Rataplan fehlt es etwas an vokalem Biss, insgesamt liegt der Sängerin das französische Repertoire mehr als das italienische. Das gilt auch für Lauras Gebet, das man von den großen Interpretinnen schon vollmundiger, einfach veristischer gehört hat, während sie als Charlotte kaum zu schlagen sein dürfte, der elegische Ton einfach vollkommen ist. Interessant sind die beiden unbekannten Stücke, in denen das Orchester bei Musettas Aschied aus der Bohéme Pagliacci-Töne anklingen lässt (DG 479 5937). Ingrid Wanja