Giacomo Puccinis Complete Songs for soprano and piano bei Naxos könnten auch unter dem Titel “Opernquiz” durchgehen, denn der (wenn er nichts von Puccinis haushälterischem Tun wusste) erstaunte Hörer wird feststellen, dass der bulgarische Sopran Krassimira Stoyanova bestens bekannte Themen aus des Komponisten berühmten und weniger bekannten Opern singt, die der zum Teil bereits in seinen frühesten Schaffensjahren, ja als Student, komponiert hatte und später in seinen Oper wieder aufleben ließ..
In dem englischen Booklet wird der Leser darüber informiert, dass einige der teilweise sehr kurzen Canzoni Auftragsarbeiten für Periodika waren, andere für Kirchengemeinden komponiert wurden (Puccinis Schwester war Nonne). Die Texte sind nicht wiedergegeben, aber dafür gibt es zu jedem Track eine kurze Einführung, gegebenenfalls auch mit dem Hinweis auf das Wiederauftauchen einer Melodie in einer der Opern Puccinis.
Es beginnt mit Canto d’anime, in dem der opernerfahrene Hörer sofort Rinuccios Preisen von Florenz erkennt, aber auch beglückt das wunderschöne Timbre von Krassimira Stoyanova, einen Sopran voller Leuchtkraft, sehr nobel und geschmeidig zwischen Ekstase und zarter Innigkeit balancierend. Mimis Abschied aus dem 3. At der Bohéme dominierte einmal in Sole e amore und bezaubert durch ein so raffiniertes chiaro-scuro, wie man es von dem Sopran auch aus der entsprechenden Oper gewöhnt ist. E l’ucellino zeigt, dass eine Stimme durchaus auch Humor haben kann, und in La primavera zeigt sich der Sopran in besonders anmutiger Weise. Von einer guten Technik sprechen im Ave Maria Leopolda die sicheren Intervallsprünge ins Piano, während in Ad una morta! die obertonreiche Stimme bereits Typisches der beeeibtesten weiblichen Opernfiguren vernehmen lässt und von der Sängerin auch adäquat gestaltet wird. Sicher und ohne Schärfen auch in der Extremhöhen zeigt sich die Stimme in Morire?, bekannt als Arie des Ruggero aus der Rondine, und hier wie auch später bei Mentia l’avviso bemerkt der Hörer mit Vergnügen, dass die Melodie noch nichts über den Charakter eines Stückes aussagt, sondern erst die Interpretation, wenn aus „Donna non vidi mai“ auch der Gesang einer dem Grab Entstiegenen werden kann. Beinahe noch erstaunlicher ist, dass Tosca und Butterfly sich bereits in einem für eine Jagdgesellschaft komponierten Inno a Diana hören lassen. Feierlich getragen immerhin klingt das Salve Regina, auch aus Le Villi bekannt, ein Lächeln in der Stimme hat die Stoyanova für Casa mia, und schon ganz opernhaft ist Terra e mare, während man sich bei Inno a Roma fragt, ob sein recht früher Tod Puccini nicht davor bewahrt hat, unangenehm als Mussolini-Verehrer aufzufallen. In Storiella d’amore meldet sich Edgar, ist aber auch zu bewundern, wie fein die musikalischen Figuren von der Bulgarin herausgearbeitet werden. Zwei Stücke sind zweistimmig, zum Sopran gesellt sich ein Mezzosopran, der eher im Hintergrund bleibt. Da kein zweiter Name im Booklet genannt wird, kann man annehmen, dass die Sopranistin sich auch dieser Rolle angenommen hat. Die einfühlsame Begleiterin am Klavier ist Maria Prinz (Naxos 8.573501). Ingrid Wanja