Ein sehr gutes Gefühl für richtiges Timing hat offensichtlich (oder vielmehr gut hörbar) Diana Damrau, deren letzte CD wie alle ihre früheren dem Entwicklungszustand ihrer Stimme optimal entspricht mit Richard-Strauss-Liedern, für die sie nun das notwendige Volumen, bei aller Zartheit viel Farbe, die nach wie vor sichere, leichte Höhe und eine bewundernswerte Flexibilität besitzt. Für die Vier letzten Lieder verfügte sie dazu noch mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Mariss Jansons und als Klavierbegleiter mit Helmut Deutsch die optimalen Begleiter.
Bei den Vier letzten Liedern fällt angenehm auf, dass nicht nur die jeweilige Gesamtatmosphäre der drei Hessetexte und des Eichendorffgedichts getroffen werden, sondern auch feine Akzente innerhalb eines jeden Liedes gesetzt werden, in „Frühling“ der Kontrast zwischen dem Träumen in der Vergangenheit und der „selige(n) Gegenwart“ hörbar wird im Verhangenen wie danach sehr Präsenten der Sopranstimme. „September“ lässt das Orchester wie ein Echo der Stimme erscheinen, die letzte Zeile gibt in bewundernswürdiger Weise das Ermatten des Sommers mit so feinem wie präsentem Piano wieder. Ebenso überzeugend wie das rauschhafte Eingehen der Seele in die Welt des Unbewussten mit der sieghaften Präsenz der Stimme über den Orchesterwogen mit schönen Schwelltönen gelingt, kann sich der Sopran in „Beim Schlafengehen“ für das „in Schlummer senken“ zurücknehmen und trotzdem nie als matt erscheinen. Für das Eichendorffgedicht breitet das Orchester einen wunderbaren Klangteppich aus, lässt die Stimme das „Abendrot“ leuchten, hebt sie die letzte Zeile nicht melodramatisch vom Vorhergehenden ab, sondern lässt beides sanft ineinander übergehen.
Es folgt das letzte Lied, das Strauss komponiert hat, „Malven“, die mit ganz weichem Stimmansatz dargeboten werden, wo, dem Sinn des Textes gehorchend, nicht „Purpurs Glut“ dominiert, sondern das „verwehen“ „leise im Wind“.
Auch einige der Lieder nach den Blumengedichten von Felix Dahn, einst in allen deutschen Bücherschränken mit seinem monumentalen Roman „Der Kampf um Rom“ vertreten und im Booklet wegen seiner Vergleiche Frauen= Blumen als bedenklich angesehen, hat die Sängerin eingespielt, den „Kornblumen“ viel Beherztheit, den „Mohnblumen“ puren vokalen Übermut und dem „Efeu“ zärtliche Empfindsamkeit, den „Wasserrosen“ inniges Verklingen eingehaucht und einmal mehr unter Beweis gestellt, wie wandlungsfähig die Stimme ist, die zugleich immer eine typische silbrige Straussstimme voller Leuchtkraft bleibt. Im letzten dieser Blumen-Lieder zaubern Stimme und Klavier gleichermaßen eine zauberhafte Atmosphäre herbei.
Die von Strauss vertonten Gedichte sind von unterschiedlichem literarischem Wert, die besseren stammen von Richard Dehmel oder auch dem Expressionisten Karl Henkell. Letzterer hat „Ruhe, meine Seele“ geschrieben, in dem Diana Damrau den „Sonnenschein“ glänzen wie, stets die vokale Façon wahrend, die „Zeiten“ die „gewaltig“ sind, machtvoll aufbrausen lässt. Dehmels „Leises Lied“ verzaubert gerade durch die scheinbare Eintönigkeit, die nicht Spannungslosigkeit bedeutet, fordert eine Mittellage, die die Sängerin längst ihr Eigen nennt. In des Dichters „Mein Auge“ gelingt es ihr, Hymnisches, das in Text und Musik ist, zum Leben zu erwecken. Im so tottraurigen wie tröstlichen „Befreit“ berührt besonders das variationsreiche „O Glück“.
Die drei „Lieder der Ophelia“ deuten das Ver-Rückte der Figur , den Wahn mal atemlos oder mit leichter Bitternis wie in „Guten Morgen“, den Wechsel der Stimmung fein wiedergebend wie in „Sie trugen ihn“ an.
Den Schluss bildet das bekannte „Morgen!“, in dem das Zwiegespräch mit der Geige von Anton Barakhovsky ungemein reizvoll ist (Erato 0190295303464). Ingrid Wanja