Le Belle Immagini heißt die neue CD von Valer Sabadus, der inzwischen den ersten Teil seines einstigen Doppelnamens abgelegt hat und nun bei SONY aufnimmt (8 88430 19242 3). Der Countertenor stellt in diesem Programm für den Soprankastraten Giuseppe Millico komponierte Arien von Christoph Willibald Gluck und Antonio Sacchini vor. Letzterer lebte von 1730 bis 86 und verzeichnete 1773 in London enormen Erfolg mit seiner Oper Le Cid – Millico in der Titelrolle hatte wesentlichen Anteil an diesem Triumph. Bei den drei von Sabadus gewählten Ausschnitten aus diesem Werk handelt es sich um Weltersteinspielungen, beginnend mit dem Rondo, „Vieni, o caro amato bene“. In seiner reichen melodischen Erfindung steht es Mozart nahe, die elegische pastorale Stimmung malt der Sänger mit betörender vokaler Schönheit aus. Seine mühelos bis in die Extremhöhe reichende Stimme hat mit den exponiert notierten Stücken keine Probleme, was auch das zweite Beispiel, die Arie „Placa lo sdegno o cara“, zeigt. Zudem ist sie ein Beweis, dass Millico, der eher ein Sänger des espressivo und weniger der bravura war, durchaus in anspruchsvollen Koloraturpassagen brillieren konnte. Sabadus glänzt damit gleichfalls mit einem vokalen Feuerwerk von stupender Mühelosigkeit, Letztes Stück aus dem Cid sind Rezitativ und Arie „Ecco, o cara nemica/Se pietà tu senti“, wo die Wehmut des Abschieds dominiert. Zeitgenossen nannten diesen Arien-Typ Air pathétique und Millico war der ungekrönte König dieses Genres. Auch für Sabadus, dem allgemein die getragenen, schmerzvollen Szenen besonders liegen, bietet diese Nummer Gelegenheit, neben der Schönheit seines Timbres eine ergreifende Ausdrucksdimension zu zeigen.
Es war eine sinnvolle Entscheidung, die Sacchini-Szenen mit solchen von Gluck zu ergänzen, war Millico doch ein bedeutender Interpret der Musik des Wiener Hofkomponisten. 1769 hatte er ihn in Parma erstmals getroffen und dort seinen Orfeo gesungen. Der Auftritt fand anlässlich der Vermählung von Maria Theresias Tochter, Maria Amalia, mit dem Herzog von Parma statt, wofür Gluck mit der Komposition einer Festoper beauftragt wurde. Diese umfasste einen Prolog und drei Einakter, deren einer die gekürzte Wiener Fassung des Orfeo bildete, nun Atto d’Orfeo betitelt. Die von dem Altisten Guadagni sieben Jahre zuvor kreierte Rolle transponierte Gluck für den Sopranisten nach oben, Millico sang sie auch in Paris unter Leitung des Komponisten und bei der Wiener Wiederaufnahme 1770. Auf der CD sind daraus zehn Nummern zu hören, beginnend mit der Overtura, wo die Hofkapelle München unter Leitung von Alessandro De Marchi – wie auch in Ballettmusiken aus dem Atto d’Orfeo und später aus dem Don Juan – mit federndem, dramatisch auftrumpfendem Spiel und spannenden dynamischen Kontrasten fesselt, zudem mit delikaten Soli und feinen Nuancen in der Begleitung des Sängers imponiert. Sabadus singt die Arien „Che farò“, „Chiama il mio ben“, „Deh placatevi con me“ und „Che puro ciel“ – eine jede ausgewogen, empfindsam und mit subtilen Verzierungen.
Für Millico schrieb Gluck die männliche Titelrolle in seiner dritten Wiener Reformoper Paride ed Elena, die 1770 im Hofburgtheater uraufgeführt wurde. Mit der Arie „Oh, del mio dolce ardor“, ein beliebtes Stück zum Einsingen bei Tenor-Recitals, beginnt Sabadus seine Auswahl und schmeichelt dabei mit süßem, zärtlichem Ton. Später singt er daraus noch die Arie, welche der CD den Titel gab. In ihrer Stimmung ist sie verhaltener, ernster und verzichtet auf alle bravourösen Zutaten. Die letzte Nummer der Programmauswahl bringt mit der Arie des Scitalce aus Semiramide riconosciuta nochmals eine CD-Premiere. „Non saprei qual doppia voce“ erzählt von seelischem Zwiespalt, Zorn und Barmherzigkeit, Liebe und Feindschaft – noch einmal Gelegenheit für den Solisten, mit einem virtuosen Zierwerk von Koloraturen und Trillern zu glänzen. Die Platte ist eine würdige Hommage an den Soprankastraten Giuseppe Millico und für Valer Sabadus eine Referenzaufnahme.
Bernd Hoppe