Mit Orchesterbegleitung

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Nicht nur gute alte Bekannte, was Librettisten wie Antonio Ghislanzoni oder Luigi Illica betrifft, findet man auf der Puccini-CD mit dessen  I Canti, wieder, sondern auch Melodien, die man aus La Bohéme, Edgar, Le Villi oder Manon Lescaut kennt und die der Komponist für seine Frühwerke erfand und später noch einmal verwendete und einem weit höheren Bekanntheitsgrad entgegen geführt hat. Der amerikanische Tenor Charles Castronovo hat sich als Puccini verkleidet und blickt neben einem Foto des Komponisten sitzend und diesem täuschend ähnlich sehend vom Cover der CD und aus dem Booklet, und da er augenblicklich Artist of Resindence des Münchner Rundfunkorchesters ist, hat er sich nicht mit einer KLavierbegleitung begnügt, sondern sich von Johannes X. Schachtner eine Orchesterbegleitung komponieren lassen, die dieser, ebenfalls im Booklet, unter anderem damit legitimiert, dass sie nicht mit deutschem Liedgut zu vergleichen seien, sondern in der Tradition des Belcanto stünden.

Und noch etwas will uns das Booklet verraten: Charles Castronovo sei dem Publikum wegen seiner Erfolge in Mozartpartien oder einem Traviata-Alfredo, also als lyrischer Tenor, bekannt, was zutreffen mag, nicht aber noch  auf die auf der CD vernehmbare Stimme zutrifft, die sehr dunkel grundiert ist und hörbar in ein schwereres Fach, das des Spinto-Tenors, hinweist.

Das trifft bereits auf den ersten Track, die Canzone A te, zu, die viel eher eine Opernarie als ein Lied zu sein scheint und in der der Stimme Jugendlichkeit und zugleich eine reiche Substanz an Farben zuzusprechen ist. Im Salve erscheint sie besonders facettenreich und ausgesprochen nobel auch in der Höhe, so auch in Ad una morta, wo ein schönes Diminuendo in der Extremhöhe staunen lässt. Später für Des Grieux’ Donna non vidi mai verwendet wurde Mentia l’avviso, das aus einer Examensarbeit des Musikstudenten Puccini stammt. Der Wechsel der Stimmungen nachvollziehbar gemacht wird  in der Storiella d’amore, in der die Höhe als gut angebunden empfunden wird. Von der Sonne die Rede ist in Sole e amore, obwohl später daraus in La Bohémeè una notte di luna“ wurde.

Ein schöner vokaler Übermut lässt sich in Avanti, Urania! vernehmen und eine strahlende Höhe dazu. So behände wie das Orchester unter Ivan Repušić zeigt sich die Stimme in E l’uccellino. Weit holt die Opernpranke zum Schlag in Canto d’anime aus, eher deklamierend verhält sich der Sänger in Dios y Patria und ganz schlicht wird das Lob auf la casa mia gesungen. Für den sogno d’or wird eher Bronzematerial eingesetzt, das sich im Schluss auch ausgesprochen ätherisch geben kann. Einen starken Kontrast dazu bildet der martialische Inno a Roma, wo auch das Orchester mächtig auftrumpfen darf. Das abschließende Morire? spricht von einer reifen Interpretationskunst und geht dem Hörer nahe.

Drei Orchesterstücke bilden den Abschluss des beachtlichen Hörvergnügens mit Preludio sinfonico, Capriccio sinfonico und den populären Crisantemi, den Totenblumen der Italiener, einer Trauermusik, hier in der Bearbeitung für Streichorchester durch Lucas Drew. Hier beweist das Münchner Rundfunkorchester, dass es auch ohne das Mitwirken seines derzeitigen Artist in Residence der Aufmerksamkeit des Hörers wert ist (BRmedia 900349). Ingrid Wanja