Paul Hindemiths Zyklus Das Marienleben nach Texten von Rainer Maria Rilke begegnet man heute relativ selten in den Konzertsälen. Das mag sicher auch daran liegen, dass die gemäßigte Moderne, zu deren Vertretern man Hindemith zählen muss, aktuell ein wenig aus dem Fokus geriet. Darüber hinaus ist dieser fünfzehn Lieder umfassende Zyklus mit einer Aufführungsdauer von über einer Stunde für Interpreten und Publikum gleichermaßen eine Herausforderung. Die vorliegende Einspielung (cpo 77 817-2) ist am Rande des Lehár-Festivals in Bad Ischl 2014 entstanden und mit dessen Logo ausgestattet. Es fällt zwar nicht leicht, zwischen Lehár und Hindemith eine Verbindung herzustellen, zumindest aber waren die beiden Komponisten Zeitgenossen. Die Sopranistin Maya Boog und der Intendant des Festivals, Michael Lakner, am Flügel, knien sich mit hörbarem Engagement in dieses doch eher spröde und auch gesanglich sehr anspruchsvolle Werk.
Boog beginnt ein wenig flackernd, mit deutlicher Trübung der Intonation, vermag sich aber im weiteren Verlauf erfreulich zu steigern und lässt zumal im Forte eindrucksvolle Töne hören. Mir will es scheinen, als wäre die Sängerin bei den ersten Liedern nicht richtig eingesungen gewesen, was sich bei den über drei Tage hingezogenen Aufnahmen doch leicht hätte korrigieren lassen können. Schade, so bleibt ein recht zwiespältiger Eindruck haften.
Der Erfurter Komponist Carl Martin Reinthaler, dessen musikalisches Wirken in Bremen bis 1893 seinen zentralen Ort hatte, ist trotz seiner einst erfolgreichen Opern, Oratorien, Symphonien und zahlreichen Liedern heute nur noch wenigen Spezialisten bekannt. Die vorliegende CD (cpo 777 570-2) mit einer Auswahl von 26 Liedern, die teilweise in Zyklen zusammengefasst sind, ist aber durchaus lohnend, es handelt sich durchwegs um ansprechende Stücke. Der ambitionierte Bariton Peter Schöne, der über eine für sein Stimmfach bemerkenswerte Höhe verfügt, versucht gemeinsam mit dem Pianisten Günther Albers diese Musik wieder in die Gegenwart zurückzuholen. Ob dies dauerhaft möglich ist, muss bezweifelt werden, fehlt es Reinthalers Musik doch bei aller Gefälligkeit an einer unverwechselbaren Charakteristik. Trotzdem muss man solchen Wiederbelebungsversuchen Respekt zollen, sie sind allemal eine Bereicherung des Repertoires. Hingewiesen sei hier auch auf das bemerkenswerte Online-Projekt Peter Schönes. Unter www.Schubertlied.de ist eine komplette Einspielung aller Schubert-Lieder im Entstehen. Weit über dreihundert Lieder sind bereits aufgenommen und online gestellt. Man darf auf die Weiterentwicklung des Projekts gespannt sein!
Der englische Komponist Frank Bridge (1879-1941) ist auf dem Kontinent nicht annähernd so populär wie in seiner britischen Heimat. Sein Werk besteht hauptsächlich aus Kammermusik und einigen Tondichtungen für großes Orchester. Große Teile von Bridges Liedschaffen versammelt ein Doppel-CD-Album, das bereits in den 1990er Jahren entstanden ist und nun seine Wiederveröffentlichung erlebt. Es wurden ausgezeichnete britische Liedersänger aufgeboten: die Soprane Janice Watson, Louise Winter, der Tenor Jamie MacDougall und der Bariton Gerald Finley, begleitet von dem Pianisten Roger Vignoles und dem Geiger Roger Chase. Die insgesamt 45 Lieder auf Texte verschiedener englischer Lyriker wie Keats, Tennywon und Shelley entbehren leider nicht einer gewissen Gleichförmigkeit. Für das an Richard Strauss gewöhnte Ohr klingen sie über weite Strecken doch eher enttäuschend, man vermisst eingängige Melodien. Am ehesten können noch jene gefallen, die im volkstümlichen Ton gehalten sind. Für Liebhaber des Komponisten sicher ein Muss, für den Ersthörer aber doch eher gewöhnungsbedürftig. Erschienen ist das Album mit dem Titel „The Songs of Frank Bridge“ bei beim Label hyperion (CDA 67181/2).
Peter Sommeregger