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Unzählige Komponisten insbesondere des 19. Jahrhunderts hat das Schicksal von Paolo il Bello und Francesca da Rimini, die ihr Zeitgenosse Dante in seiner Göttlichen Komödie in die Hölle verbannt sah, beschäftigt und zu musikalischen Werken aller Arten inspiriert. Allein vollständige Opern gibt es von Mercadante ( erst 2016 in Martina Franca uraufgeführt), Goetz, Thomas, Rachmaninow, Mancinelli, Leoni und Zandonai, dazu eine Sinfonische Dichtung von Tschaikowski. Dabei wurde die Unerbittlichkeit des Renaissancemenschen gegenüber seiner Mitbürgerin bald in späteren Zeiten von einer milderen Sicht abgelöst, so wenn der Poet Mario Rapisardi Francesca trotz der Begnadigung durch den Allerhöchsten freiwillig zu Paolo in die Hölle zurückkehren lässt, wenn gar ein Francesco Gianni sie zur Vorkämpferin für die freie Liebe stilisierte. Nicht vergessen werden darf natürlich auch, dass sie betrogen wurde, indem man sie glauben ließ, nicht sein missgestalteter Bruder, sondern der nur als Brautwerber auftretende Paolo sei ihr zukünftiger Gatte.
Weit weniger interessant fanden die Komponisten das Schicksal des ebenfalls von Dante portraitierten Grafen Ugolino, der von seinem Gegner samt Söhnen und Enkeln in einen Turm eingesperrt und dem Hungertod preisgegeben wurde. Bildliche Darstellungen zeigen ihn an seinen Händen nagend, geargwöhnt wurde, er habe sich von den Kadavern seines Nachwuchses ernährt, der ihn zuvor ausdrücklich dazu ermuntert hätte. Natürlich regt eine solche Geschichte weit weniger zur Vertonung an, ist aber auf der CD ebenfalls mit einer Cantata von Francesco Morlacchi vertreten. Auch aus der Göttlichen Komödie stammt Pia de‘ Tolomei, die im Fegefeuer auf den Eintritt ins Paradies wartet, nachdem ihr Ehemann sie ermordet hat.
Auf der von Tactus aufgenommenen CD verleiht der Mezzosopran Manuela Custer einer selbstbewussten Francesca von Luigi Confidati ganz in Dur abgesehen vom „Caino attende“ ihre zärtlich-sinnliche Stimme voller Empfindsamkeit, nur am Schluss eine trotzige Aufwallung ins Spiel bringend. Begleitet wird sie vom Quartetto Dafne, das auch im weitaus längsten, dem Grafen Ugolino gewidmeten Stück dessen Verzweiflung beredten Ausdruck verleiht. Dieses stellt an den Mezzosopran höchste Anforderungen, und es ist schön, dass er vom Streichquartett auch hier erfolgreich darin unterstützt wird, alle Phasen der Verzweiflung ob der aussichtslosen Lage im Hungerturm in schöner Ausgewogenheit zwischen Emotion und Verhaltenheit dem Hörer nahe zu bringen. „La Pia“, wie sie auch genannt wurde, widmen sich zwei gleichnamige Stücke. Das von Filippo Marchetti geht tief ins Brustregister hinunter, und über seine gesamte Spannbreite hinweg lässt die Stimme Tragik und Reife vernehmen. Besonders gefordert wird von Antonino Palminteri in seiner La Pia das Klavier, mit dem der Pianist Raffaele Cortesi die Sängerin in ihrem erfolgreichen Bemühen unterstützt, das traurige Schicksal des Mordopfers nachzuzeichnen.
Viele andere, auch dem heutigen Musikfreund bekannte Namen sind auf der CD zu finden, so Puccini, der sich der Szene annahm, in der es bei der Lektüre der Geschichte von Lanzelot und Ginevra zum ersten Kuss zwischen Francesca und Paolo kommt, außerdem Boito, der sich eines Musikstücks von Robert Schumann als Vorlage bedient, oder Ponchielli, der es ebenfalls vom Lesen zum Küssen kommen lässt. Der Gioconda-Komponist findet im Vergleich zu Puccini einen angemessen hochdramatischen Ansatz, lässt auch das Klavier dräuen, die Stimme tragisch verschattet klingen. Rossini ist mit einem Recitativo ritmato vertreten, Hans von Bülow, der erste Mann von Cosima Wagner mit einem Sonett Dantes.
Man könnte die CD mit einem Booklet, das außer der wertvollen Einführung auch die Texte der Stücke zumindest in Italienisch enthält, noch mehr genießen, aber auch so ist das Hören dieser Liriche su Testi di Dante ein Vergnügen und eine Bereicherung (TC 840003). Ingrid Wanja