„La vie d’une rose“

 

Unter dem Titel „La vie d’une rose“ ist jetzt eine CD mit Liedern von Jules Massenet erschienen (SOMMCD 0600). Die inzwischen leider viel zu früh verstorbene Sally Silver und deren Begleiter Richard Bonynge haben sie 2017 aufgenommen; in sechs Duetten und mit zwei Sololiedern ist auch die Mezzosopranistin Christine Tocci beteiligt. 25 von insgesamt 285 vertonten Texten geben einen guten Überblick über Massenets Liedschaffen. Oft steht in den Texten außer der Liebe mit all ihren Formen und Folgen die Rose im Mittelpunkt, die auch der „code“ zwischen Massenet und seiner letzten Muse Lucy Arbell war.

Sally Silver entfaltet ihren schönen klaren Sopran und überzeugt mit aufblühenden Höhen sowie ausgefeilter Gesangstechnik. Darüber hinaus besticht sie durch gute Diktion, hat aber auch den Mut, zugunsten des Gesamtklanges mal verschwommener zu artikulieren, um die entscheidenden Worte dann wieder präzise zu setzen. Ihre Gestaltung dieser Lieder spricht den Hörer direkt an. Wunderbar ist die Steigerung in Dieu créa le désert und die kleine Kostbarkeit Être aimé.

Der üppige Mezzo von Christine Tocci wird nicht immer ruhig geführt, was aber zu dem ausdrucksstarken La dernière lettre de Werther à Charlotte gut passt; hier verwendete Massenet ausnahmsweise zusätzlich die Sprechstimme, die einen interessanten Effekt bewirkt. In den Duetten verbinden sich die Stimmen der beiden Protagonistinnen dagegen erfreulich gut, wobei sie in Le poète et le fantôme deutliche Kontraste setzen. Herrlich ist das jubelnde Joie! der Beiden.

Richard Bonynge ist ein stets aufmerksamer Wegbereiter und Begleiter der Frauenstimmen. Seien es Impulse durch Akkordsetzungen wie in Le coffret d’ébène oder sanftes Flimmern in Aux ètoiles, sein einfühlsames Spiel passt zu jeder Stimmung.

 

Bereits 2016 ist eine CD mit Mélodies von Camille Saint-Saens auf den Markt gekommen. Apartè (AP132) stellt damit die vier geschlossenen Liederzyklen des vielseitigen Komponisten vor, die mit insgesamt 24 Liedern nur einen Teil seines großen Lied-Schaffens ausmachen. Der griechische Bariton Tassis Christoyannis und sein amerikanischer Klavierpartner Jeff Cohen haben sich erfolgreich der Aufgabe gestellt, uns mit diesen selten zu hörenden Zyklen bekannt zu machen. Der erste Zyklus Mélodieses persanes umfasst 6 Lieder, die Saint-Saens auf Gedichte des zur Gruppe „Poètes parnassiens“ gehörenden Armand Renaud aus dessen Sammlung Les Nuits persanes in den frühen 70er Jahren des 19.Jahrhunderts vertont hat. Jedes Lied ist einer bestimmten Person aus seinem engsten Freundeskreis gewidmet wie z.B. La Brise Pauline Viardot oder Tournoiement Lorenzo Pagans. Mit kerniger, höhensicherer Stimme präsentiert Tassis Christoyannis die Lieder, die von orientalischen Einflüssen durchsetzt sind. Besonders intensiv gelingt das ruhig fließende Au cimetière, das stark kontrastiert wird durch Tournoiement (songe d’opium), einem flüchtig dahinfliegenden Traum; bei dessen flimmernder Klavierbegleitung erfreut Jeff Cohen durch größte Fingerfertigkeit, der auch durch Ausdrucksstärke im langen Nachspiel von Sabre en main seine hohe künstlerische Qualität beweist.

Der zweite Zyklus La Cendre rouge entstand 1914 und umfasst 10 Lieder nach Texten von Georges Docquois. Erstmals aufgeführt wurden die Gabriel Fauré gewidmeten Lieder allerdings erst 1916 im Salle Gaveau, wo der Komponist selbst den Tenor Rodolphe Plamondon begleitete. „Die kleine Sammlung enthält sowohl ernste als auch amüsante Stücke, für jeden Geschmack etwas“, wie Saint-Saens an Fauré schrieb. Christoyannis überzeugt mit flexibler Stimmgebung, tragfähigem piano (Ame triste), frisch jubelndem Mai, weich klingendem Zwiegespräch (Amoroso) und gewaltiger dynamischer Steigerung (Reviens!). Cohens unterstützt lautmalerisch wie z.B. bei Pâques mit den aus Rom heimgekehrten Glocken und den getupften Tropfen in Jour de pluie.

Die beiden anderen Zyklen stammen aus Saint-Saens‘ Todesjahr 1921, als er nur zu seinem Vergnügen komponierte, inspiriert durch seine Liebe zur Dichtung des 15. und 16. Jahrhunderts. Da gibt es zunächst die Cinq Poèmes de Ronsard, die die humorvolle Seite des Komponisten zeigen. Herrlich witzig sind das flotte Grasselette et Malgrelette, L’Amant malheureux und L’Amour blessée, in dem der kleine Cupido erfährt, wie groß sein Schmerz durch einen Bienenstich wirklich ist im Verhältnis zu dem Schmerz, den er anderen zufügt mit seinem Pfeil!

Zuletzt entstanden drei kleine Vieilles Chansons, fröhliche Lieder über Natur und Schönheit, deren Le Temps nouveau Saint-Saens‘ letzte Liedkomposition vor seinem Tod war: Ein heiteres, optimistisches Lied, das die beiden Künstler schwungvoll ausdeuteten.

 

Tassis Christoyannis beim Konzert in Versaille/MT

Außerdem hat Aparté (AP181) 2017/18 Mélodies von Charles Gounod herausgebracht, ebenfalls mit Tassis Christoyannis und Jeff Cohen. 24 seiner etwa 150 Vertonungen von Gedichten verschiedener Dichter sind auf der CD vereint, darunter auch ein Text von Metastasio im italienischen Original und drei in englischer Sprache. Christoyannis‘ Bariton hat in der Zwischenzeit noch an Reife gewonnen, klingt wunderbar weich und ist für das französische Lied bestens geeignet. Où voulez-vous aller? nach Théophile Gautier ist sein erstes, 1839 veröffentlichtes Lied: Die beiden Interpreten nehmen es mit jugendlichem Schwung, so dass die gewisse Ironie durch nach oben oktavierte Begleitung der letzten Strophe bestens zur Geltung kommt. Intensiv gestaltet der Bariton Lamento (La Chanson du pêcheur) mit Cohens vorzüglicher Wellenbewegung durch gebrochene Arpeggien. Ô ma belle rebelle nach Jean-Antoine de Baif ist Gounods guter Kenntnis der Renaissance-Musik verhaftet und wird mit sehr klarer Diktion geboten. Höhepunkte sind weiter der elegante Salon-Walzer Si vous n’ouvrez votre fenêtre (Alexandre Dumas, fils), das flotte Au printemps (Jules Barbier) – ein Walzer mit gitarrenartiger Klavierbegleitung –, das einschmeichelnde Liebeslied Maid of Athens (Lord Byron), das dramatisch auftrumpfende Départ (Émile Augier) und die verspielte Sérénade (Victor Hugo) mit kleinen Koloraturen. Man merkt deutlich, dass die beiden Interpreten viel zusammen arbeiten und der Pianist mit dem Sänger atmet. Sehr zu empfehlen zum Kennenlernen. Im informativen Begleitheft – wie immer leider nur in Französisch und Englisch – findet sich viel Interessantes zu Dichtern und Kompositionsstil, auch zu allen Liedern in chronologischer Reihenfolge, die aber nicht der Abspielfolge der CD entspricht!

 

Im weitesten Sinne gehört auch die Einspielung von Liedern von Alfredo Casella in diese Zusammenfassung, da sie während seines knapp 20 Jahre währenden Aufenthaltes in Frankreich entstanden. Die Engländerin Lorna Windsor und der Italiener Raffaele Cortesi haben Le liriche degli „anni di Parigi“ bei Tactus im französischen Original eingespielt (TC880301). Diese Lieder mit ihrer verstärkt eigenständigen, fast orchestral behandelten Klavierbegleitung – zwischen 1902 und 1915 entstanden – üben einen besonderen Reiz aus. Lorna Windsors in Tiefe und Mittellage durchaus füllige Sopranstimme wird leider in der Höhe durch stärkeres Vibrato und Schärfen eingeschränkt. Am besten gelingen die Tagore-Vertonungen L’Adieu à lavie op.26 u.a. mit wunderbar fahlen Tönen in Mort, ta servante, est à ma porte; im Klavier hört man bei A cette heure du départ genau den ankommenden Zug. Cortesi entwickelt gewaltige Klänge, die manchmal die Texte und ihren Gehalt erschlagen, aber ungemein fesselnd sind. Leider sind im Beiheft überhaupt keine Liedtexte und Informationen über die Künstler abgedruckt, nur ein allgemeiner Überblick über Casellas Schaffen in Paris in Italienisch und Englisch – das ist sehr dürftig! Marion Eckels