Vor Jahren setzte ihre Susanna Maßstäbe, nun ist es ihre Contessa, und die neue CD von Dorothea Röschmann weist bereits in dramatischere Gefilde, so mit den grimmig-furiosen Damen Vitellia und Elettra. Mozart Arias nennt sich die Aufnahme, die für Sony im November 2014 live in Stockholm mit dem Swedish Radio Symphony Orchestra unter Daniel Harding aufgenommen wurde. Aus Idomeneo ist neben der dem Inferno zueilenden Atriden-Prinzessin auch ihre glücklichere Nebenbuhlerin vertreten, und die Gegenüberstellung der beiden Porträts zeigt zwei der besonderen Stärken der Sängerin: den klugen Umgang mit den Rezitativen und die Fähigkeit, eine Figur singend zu charakterisieren. Für die Elettra hat die Röschmann einen beeindruckenden Klage-Wut-Ton, ihre Arie endet tatsächlich „infuriata“, nur ein zärtliches „Oreste“ fällt aus diesem Rahmen, während die Wahnsinnslache der Koloraturen auf „già morte mi dá“ erschauern lässt. Leichte Schärfen in der Höhe passen zum Charakter der Rolle. Mit weicherem, gerundeterem Sopran, einem milden Übergang in die Moll-Ton-Art und einer wie mit Flügeln ausgestatteten Stimme auf „volate“ ist das Kontrastprogramm vollkommen, ohne dass der Mozart-Stil Schaden erleidet.
Die der Stimme angemessenste Partie dürfte momentan die Contessa sein, die die Sängerin gerade an ihrem einstigen Stammhaus, der Berliner Staatsoper, gesungen hat. Das kostbare, cremig klingende Timbre, die volle Farbgebung auch in der mezza voce und die Präsenz der Stimme in jeder Tonlage, die leichte Emission machen das Hören der beiden Arien zum Hochgenuss. Die Seelenlage zwischen dem schelmisch klingenden „al favor della notte“ und der Bitternis des „umil stato fatale“ wird perfekt vermittelt, die Wiederholung in der zweiten Arie hört sich im Vergleich zum Beginn fein träumerisch reflektierend an.
Im Vergleich zur Contessa spricht aus der Arie der Elvira „Mi tradì quell’alma ingrata“ weniger generelle Enttäuschung als aktuelle Empörung, was sich nicht zuletzt in der Begleitung durch das Orchester im Rezitativ, aber auch im Kontrast zwischen Abscheu und Liebe, die Dorothea Röschmann auszudrücken weiß, zeigt.
Die ehrgeizige Vitellia ist mit den Arien „Deh, se piacer mi vuoi“ und „Non più di fiori“ vertreten, deren Ersterer der Sopran eine schillernde Tongebung, eine gute Tiefe und sichere Intervallsprünge angedeihen lässt. Sie lässt die Stimme künstlich hell und verstellt kindlich klingen oder auch verspielt drohend. In der zweiten Arie der nun Gewandelten, klingt das „crudel“ absichtlich hässlich, so wie auch die Extremtiefe, werden die Kontraste effektvoll herausgearbeitet.
Den Schluss der Aufnahme bildet die Konzert-Arie „Bella mia fiamma, addio“, die Mozart in Prag für Josepha Duschek komponierte und die
der Sängerin noch einmal die Gelegenheit gibt, zugleich den Wechsel der Gefühle wie deren Überstrahltsein von der Ergebenheit in das Schicksal darzustellen. Bedenkt man, dass es sich um keine der Perfektion verpflichtete Studioaufnahme handelt, kann man auch dem Orchester einen sehr guten Job attestieren (Sony 88875061262). Ingrid Wanja