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In schöner Regelmäßigkeit veröffentlicht Erato neue Alben mit ihrem Exklusivstar Jakub Józef Orlinski. Die aktuelle Ausgabe mit dem polnischen Countertenor ist Beyond betitelt und präsentiert Kompositionen des Frühbarock, des italienischen seicento, darunter mehrere Entdeckungen und Weltersteinspielungen. Wirklich bekannt in der Auswahl sind nur Claudio Monteverdi, Giulio Caccini und Francesco Cavalli. Von ersterem erklingen zu Beginn Ottones Auftrittsarie „E pur io torno qui“ aus der Poppea und die Canzone a voce sola „Voglio di vita uscir“. Der klangvollen Stimme ist ein klagender Ton eigen, der vielen Titeln der Anthologie entgegen kommt, so auch den beiden Monteverdi-Auszügen. Der zweite verlangt dazu eine äußerst flexible Stimmführung, über welche der Sänger souverän verfügt. Von Caccini ertönt das populäre Madrigale a voce sola „Amarilli, mia bella“, welches in allen Sammlungen der Arie antiche zu finden ist und unzählige Male interpretiert wurde. Seine Schlichtheit findet in Orlinskis Interpretation adäquaten Ausdruck. Von Cavalli gibt es eine Arie aus der seltenen Oper Pompeo Magno – die des Titelhelden „Incomprensibil nume“, eine der Weltpremieren des Albums. Den ernsten, getragenen Duktus der Komposition nimmt der Counter in seinem schmerzlichen Gesang auf.
Mit Girolamo Frescobaldi beginnt die Reihe der Titel weniger bekannter Tonsetzer. „Così mi disprezzate?“ ist eine Aria di passagaglia aus seinem Primo libro d’arie musicali per cantarsi. Orlinski serviert das Stück mit Verve und erregtem Ausdruck. Eines der ältesten Stücke der Sammlung (von 1620) ist „Udite, lagrimosi spirti“ aus Claudio Sacracinis Le seconde musiche. Es steht für die damals gängige Monodia accompagnata. Auch hier besticht die farben- und affektreiche Gestaltung durch den Sänger. Rhythmisch reizvoll ist eine Tarantella, „Chi vuol ch’il cor gioisca“, aus Pietro Paolo Cappellinis Raccolta di Ariette. Der Sänger entspricht mit ausgelassen temperamentvollem Gesang ideal dem Charakter dieses Stückes. Als Ersteinspielung sind drei Arien aus Giovanni Cesare Nettis Oper La filli zu hören. Erstere, „Misero core“, ist ein wehmütiges Klagelied, die zweite, „Sí, sì, sciolga“, auftrumpfend, die letzte, „Dolcissime catene“, wiederum wehmutsvoll. Später folgen noch zwei Szenen aus seiner Oper Crinalba als Kabinettstücke mit verstellter Stimme und imitiertem Gelächter. Pompeianos Arie „La certezza di sua fede“ aus Antonio Sartorios Antonino e Pompeiano ist ein tänzerisch inspirierter Gesang von fröhlicher Art. Wirklich heroisch mit seinem Trompetengeschmetter und dem fulminanten Gesang ist Eugerios „A battaglia“ aus Giuseppe Antonio Bernabeis Il segreto d’amore in petto del Savio – ein musikalischer Höhepunkt der Platte. Perfekt dazu passt das folgende Concerto „Tamburetta“ von Adam Jarzebski in seiner martialischen Verve. Die drei Arien in Giovanni Battista Vitalis Huldigungskantate „Donde avvien che tutt’ebro di vera gioia“ verlangen dem Interpreten ein Höchstmaß an Bravour ab und lassen Orlinskis Virtuosität hell erstrahlen. Mit einem Klagelied des Amore, „Lungi dai nostri cor“, aus Sebastiano Moratellis La faretra smarrita endet die Sammlung besinnlich.
Bei dem im Dezember 2022 in Padova entstandenen Album begleitet das renommierte Barock-Ensemble Il Pomo d’Oro. Dem Sänger ist es ein inspirierender Partner und mit mehreren Instrumentalbeiträgen von Johannes Hieronymus Kapsberger, Johann Caspar von Kerll, Carlo Pallavicino, Biagio Marini und Adam Jarzebski bietet es nicht nur veritable Raritäten, sondern auch exquisite musikalische Genüsse.
Aufwändig gestaltet ist das Artwork der CD (5054197726453) mit mehreren durch Wasserspritzer und Blattgoldteilchen verfremdeten Fotos. Wirklich ärgerlich ist die winzige Schriftgröße der Texte, zudem auf nervösem schwarz/grauem Fond, im Booklet. Bernd Hoppe