Zu früh? Il bel sogno ist nicht nur der Titel einer CD mit dieser und anderen Arien, er meint auch den Traum einer jungen Sängerin, Carolina Lopez Moreno, die augenblicklich noch studiert, die aber mit Hilfe von 135 Unterstützern einer Crowdfunding-Kampagne bereits ungewöhnlich früh zu den Ehren einer Recital-CD gelangte, die der Hörer mit gemischten Gefühlen aufnimmt. Natürlich gefällt die junge, frische, mädchenhafte Sopranstimme, unüberhörbar aber sind auch Intonationsschwächen, die bereits im ersten Track, der Arie der Louise aus Charpentiers gleichnamiger Oper auftreten. Die Stimme klingt im Piano und in der mezza voce sehr schön, im Forte und dann besonders in den Höhen jedoch scharf, ja stellenweise sogar kratzig. Dort blüht der Sopran auch nicht auf, sondern wird eher dünn. Man wird hin- und hergerissen zwischen der Bewunderung für die angenehme Mittellage, die feinen Schwelltöne und der Enttäuschung über die scharfen Höhen. Für Liùs „Signor ascolta“ wünscht man sich neben der hellen Stimme auch Schattierungen, mehr chiaro-scuro und einen Schwellton am Schluss, der nicht ins Scharfe abgleitet. Violettas “Addio del passato“ zeigt eine schöne Melancholie im Timbre, aber zu wenig Agogik, und in beiden Strophen hätte man aus dem Schlusston mehr machen können. Hier und auch anderswo sind Stimme und Instrument (es begleitet Doriana Tcharakova am Flügel) nicht harmonisch aufeinander abgestimmt, das Klavier hämmert manchmal geradezu in die Stimme hinein. Gounods Juliette merkt man in der Interpretation von Lopez Moreno an, dass die Stimme über dem höchsten Ton kein Polster nach oben mehr hat, und ertrotzte Höhen sind bekanntlich kein reiner Hörgenuss. In der Rondine meint man eher eine Lisette als eine Magda zu hören, während die Ilia dem Entwicklungsstand des Soprans angemessen erscheint, der Charakter der mädchenhaften Figur sehr gut herausgearbeitet wird.
Die beiden moderneren Stücke aus Brittens Peter Grimes und Previns A Streetcar Named Desire werden in ihrer jeweiligen Atmosphäre, besonders der Zustand zwischen Klarheit und Wahn im zweiten, gut getroffen, während die Operette (Vilja-Lied und Stolz‘ „Du sollst der Kaiser meiner Seele sein“) nicht zu dem jetzigen Zustand der Stimme passt, einfach zu wenig Erotik, Raffinesse und Erfahrung mit der Gattung vernehmen lässt (ARS 754). Ingrid Wanja