Noch in diesem Jahr steht ein besonderes Jubiläum ins Haus – der 100. Geburtstag von Elisabeth Schwarzkopf am 9. Dezember. „Ihre größten Erfolge“ hat The Intense Media schon mal in einer Box auf zehn CDs zusammengefasst (232762). Dazu komme ich noch. Auch von Wolfgang Windgassen wird noch zu reden sein, der nun ebenfalls seine Box bekommen hat (600212). Der Vortritt meiner Beschäftigung mit den Sänger-Sammlungen des Labels gehört Martha Mödl – The Queen of Drama in Opera (233382), deren Hundertster drei Jahre zurück liegt. In der Sammlung sind ihre besten Jahre zusammengefasst. Das wird ihr mehr gerecht als eine Gesamtschau auf die lange Karriere mit dem bald einsetzenden Verfall der Stimme und dem schwierigen Übergang ins Charakterfach. Die Mödl, das sind für mich in allererste Linie Brünnhilde, Isolde, Kundry – und zwar in Bayreuth. Nirgendwo anders ist ihre Ausstrahlung stärker gewesen als dort. Sie fühlte sich wohl in diesem Klima, gefördert von Wieland Wagner, Knappertsbusch und Keilberth. Das belegen die vielen Mitschnitte, die sich weitgehend in sehr guter Klangqualität erhalten haben, weil im Rundfunk gesendet. Denn wer hat sie schon noch selbst gehört in ihrer Glanzzeit? Die Zeitzeugen werden weniger. Meine persönliche Erinnerung streifen nur ihre letzten Jahre, als der Beifall, der sie überall noch immer umrauschte, mehr der Vergangenheit galt als der jeweiligen Tagesform in den noch so kleinen Rollen.
Als ich sie zum ersten Mal sah – als Golde in Düsseldorf – ist mir genau das geschehen. Ich ging nicht wegen der Golde auf die Reise, ich wollte endlich die Sängerin live erleben, von der ich jeden Mucks auf allen möglichen Tonträgern kannte, die für mich der Inbegriff hochdramatischen Singens ist, die mir eine Tür in Wagners Welt aufgestoßen hatte. Das also sollte sie sein? Das ihre Stimme? Ich war nicht enttäuscht. Denn ich hatte ja nichts anderes erwartet als die schlichte Tatsache, sie leibhaftig auf der Bühne zu sehen. Glückliche Umstände wollten es, dass ich sie anschließend sogar noch persönlich traf. In dieser Begegnung erfuhr ich viel mehr über die Wirkung dieser bedeutenden Künstlerin als zuvor in der Vorstellung. Da war sie nun. Viel kleiner und zarter als erwartet, sehr freundlich, natürlich, neugierig, durch und durch Dame im kleinen schwarzen Jackenkleid. Die Beine noch immer wunderschön in den eleganten Schuhen. Sie machte es mir sehr leicht, kam auf mich zu, als würden wir uns ewig kennen und mal eben ganz zufällig wiedersehen. Dadurch wertete sie ihr Gegenüber auf, nicht sich selbst. Mit der dunklen Sprechstimme erinnerte sie mich viel stärker an die Hochdramatischen aus fernen Tagen als mit den Resten ihrer Gesangsstimme als Golde.
Die Mödl war schon zu Lebzeiten ihre eigene Legende. Wer davon eine Vorstellung bekommen will, höre sich in die Box hinein. Gesamtaufnahmen von ganzen Opern können nicht darunter sein, das gibt der Platz nicht her. Zehn CDs – das klingt zunächst viel. Am Ende fehlt es hinten und vorne. Es gibt keine Neuigkeiten. Alles hat es bereits schon im Rahmen anderer Editionen gegeben. Gut bedient wird, wer am Anfang seiner Beschäftigung mit der Mödl steht. Die größte zusammenhängende Szene ist der erste Aufzug der Walküre von 1954 aus Bayreuth unter Joseph Keilberth mit Max Lorenz als Siegmund und Josef Greindl als Hunding. Fortgesetzt wird mit Sieglinde-Szenen aus den folgenden beiden Aufzügen. Nur in diesem einen Jahr hat sie die Sieglinde gesungen, sie lag ihr nicht, was auch zu hören ist. Ihr fehlt es schlicht an Höhe und Atem. Lorenz, nicht mehr der Jüngste, ist ihr kein Partner. Er hat zu tragen an seiner Rolle und singt meist nur für sich selbst. Die Einfügung in das Bayreuther Ensemble der Nachkriegsära wollte ihm wohl nicht mehr gelingen, er war einen anderen Stil gewöhnt. Trotz aller Einschränkungen ist die Entscheidung für dieses Dokument seiner Seltenheit wegen sinnvoll. Von anderem Kaliber ist die Brünnhilde, die der Mödl abgesehen von einigen tückischen Spitzentönen, bei denen ich heute noch die Luft anhalte, mehr liegt. In dieser Rolle kann sich die Stimme wunderbar entfalten und ihre Fähigkeit zu enormen Steigerungen ausleben. So stelle ich mir Wagnergesang vor. Alle großen Szenen – bis auf den fulminanten ersten Auftritt in der Walküre, der unbedingt dazugehört hätte – stammen aus verschiedenen Quellen. Bayreuth steht an erster Stelle mit dem Siegfried-Finale und dem Duett „Zu neuen Taten“ aus Götterdämmerung von 1953 mit Wolfgang Windgassen als Siegfried. Eine knappe halbe Stunde – nämlich die Auseinandersetzung mit Wotan (Ferdinand Frantz) vor dessen Abschied und Feuerzauber – ist der von Wilhelm Furtwängler geleiteten Wiener Studioproduktion der Walküre entlehnt. Den Schlussgesang gibt es zweimal, einmal aus der berühmten Ring-Produktion der RAI Rom von 1953 unter Wilhelm Furtwängler und zum anderen aus dem Studio mit dem von Arthur Rother geleiteten Orchester der Städtischen Oper Berlin, eingespielt 1952.
Bayreuther Ausschnitte aus Parsifal springen etwas unmotiviert zwischen den Jahren 1951 (Hans Knappertsbusch) und 1953 (Clemens Krauss). Es fällt nicht leicht, aus diesem Stückwerk ein genaues Bild von der womöglich besten Leistung der Mödl zu rekonstruieren. Parsifal braucht es nun mal ganz. Dreigeteilt ist der Tristan mit Live-Aufnahmen aus Bayreuth (1952 / Herbert von Karajan), München (1958 / Joseph Keilberth) und aus dem Studio (1954 in gleicher Begleitung wie der Schlussgesang der Brünnhilde unter Rother). Ausgerechnet beim Münchener Liebetsod müssen akustische Mängel hingenommen werden, die unnötig sind, weil es Alternativen gegeben hätte. Die Mödl war nicht nur Wagner. Ihre bedeutendste Leistung außerhalb von dessen Schaffen dürfte die mehrfach dokumentierte Leonore in Beethovens Fidelio gewesen sein, mit der sie 1955 bei der Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper dabei war. Mehr Ehre ging damals nicht. Sechs Szenen, darunter die große Arie „Abscheulicher, wo eilst du hin“, rufen ein packendes, ja spektakuläres Opernereignis in Erinnerung. Die Mödl singt um ihr Leben und traf damit wohl genau den Nerv einer Zeit, in der die Erinnerung an die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten noch so tief saß – auch in Österreich. Leonore noch einmal in einem seltenen Dokument aus Wien, mitgeschnitten 1953 unter Karajan mit der leicht exaltierten Elisabeth Schwarzkopf als Marzelline. Schließlich dürfen auch Ausschnitte aus Furtwänglers Studioaufnahme von 1953 nicht fehlen. Mödl und Studio – das ist nicht die glücklichste Verbindung. Sie war ein Bühnentier, Studio engte sie ein wie ein Käfig. Dem Bemühen, ja alles richtig zu machen, opfert sie ihre Spontaneität. Sie ist plötzlich nicht mehr riskant. Bei Fidelio vor dem Mikrophon kann Furtwängler am Pult noch gehörig gegenhalten, bei anderen Aufnahmen fehlt dieser Impetus. Carmen, Ulrica, Eboli, Preziosilla oder Dido überzeugen mich genau so wenig wie die Lieder von Beethoven. Als Grenzfall kommt mir die Lady Macbeth vor, die es auch in beiden Ausführungen gibt. Während „Nun sinkt der Abend“ und „Dieser Flecken kommt immer wieder“ aus dem Studio zu gewollt wirken, gelingen die selben Szenen 1950 auf der Bühne in Berlin um Längen packender und echter. Wenn dann noch Josef Metternich als Macbeth hinzutritt, lassen mir die unheimlichen Minuten nach der Ermordung des Königs immer wieder einen Schauer über den Rücken laufen. Wie lauernd sich beide stimmlich umschleichen, lässt keinen Gedanken daran aufkommen, dass da manche Note womöglich nicht ganz exakt getroffen ist.
Ja, der Metternich. Er hat seine eigene Box bei Intense, etwas allgemein mit The Great Josef Metternich betitelt (233382). Das stimmt immer, da ist nichts falsch. Ich überlegte, wie man es hätte genauer ausdrücken können und bin auch nicht weiter gekommen. Reichlich Macbeth auch hier. Die Szenen sind CD-füllend. Mit zusätzlichen Ausschnitten wird der Mitschnitt aus Berlin wieder aufgegriffen, der sich auch komplett erhalten hat. Hinzu kommen Auszüge aus der Rundfunkproduktion des WDR unter Richard Kraus, in der Astrid Varnay die Lady gibt. Verdi ohne Ende. Mehr als die Hälfte des Programms ist ihm vorbehalten – zu Recht. Metternich ist mit keinen anderen Komponisten so stark identifiziert worden. Sogar an die Met nach New York hat er es mit Verdi geschafft, was seinerzeit wirklich einem Ritterschlag gleichkam. Leider wird weitestgehend auf Mitschnitte verzichtet, der Schwerpunkt liegt auf den Rundfunkaufnahmen, die in ihrer Menge Legende sind: Macht des Schicksals, Maskenball, Aida, Troubadour, Carlos, Traviata, Othello, Falstaff und natürlich seine Leibrolle Rigoletto – in Deutsch. Korrekt, konzentriert, immer auf dem Punkt. Seine Stimme bohrt sich in die Partien hinein, als wollte er auch die tiefsten Schichten an Ausdruck freigelegen. Metternich, höchst musikalisch und sicher, hatte in seiner besten Zeit zwischen 1950 und 1960 nicht das geringste technische Problem. Er klingt nur immer gleich. Das spricht für ihn, denn es bedeutet auch, dass er immer gleich gut gewesen ist gemessen am Verständnis und den Erwartungen seiner Zeit. Verdi in deutscher Übersetzung mit gestandenen Kammersängern als Partner wie Hans Hopf, Rudolf Schock, Melitta Muszely, Clara Ebers oder Richard Holm hört sich halt anders an als die Originale an der Scala.
Zu Verdi kommt Puccini mit Tosca (Scarpia) und Mantel (Marcel), Leoncavallo mit Bajazzo (Tonio), Giordano mit André Chenier (Gerard) usw. Kein Ende ist in Sicht, denn da wären ja auch noch die Russen, die Franzosen – und das deutsche Fach, das auch seine eigene CD bekommen hat mit Marschner, Wagner, Strauss, Korngold. Metternich kannte keine Grenzen. Er war der Vielseitigsten einer. Und doch gibt sich die Box mit einem spannenden Kapitel seiner Karriere zugeknöpft. Gemeint sind Operette und Musicals. Gasparone (Carl Millöcker) und Zigeunerprimas (Emmerich Kálmán) mit seinem schwelgerischen Bariton wie Butter gehören für mich zu seinen schönsten Leistungen. Er hat auch an der Synchronisation von Kiss Me Kate und Eine Frau für sieben Brüder mitgewirkt.
Als Der erste Heldentenor in Neu-Bayreuth wird Wolfgang Windgassen gefeiert. Eigentlich hätte er mit der Mödl in eine gemeinsame Box gehört, so eng sind beider Karieren verzahnt. Sie standen oft in ein und derselben Vorstellung auf der Bühne. Ohne die beiden ist der Bayreuth in der Nachkriegszeit überhaupt nicht denkbar. Sie haben sängerische und darstellerische Standards gesetzt. Insofern hat Intense Recht getan, in die jeweilige Box des einen gehörig viel vom anderen zu packen. Beide sind nun in weiteren Szenen aus Walküre, Siegfried, Tristan und Isolde, Parsifal und Fidelio zu hören – wechselweise live und Studio. Sollte ich wählen müssen, ich würde immer für Mitschnitte optieren. Was für Mödl gilt, gilt auch für Windgassen. Das Mirkophon wirkt wie eine Bremse. Sie brauchen die Bühnen, können erst dort alle ihre Möglichkeiten entfalten, auch ihr stimmlichen Ressourcen ökonomisch verwalten. In Mitschnitten geben Sänger viel mehr von sich preis. Windgassen hat rauf und runter alle Wagner-Rollen gesungen, die für ihn in Frage kommen – auch den Rienzi. Alle sind gebührend berücksichtigt, was praktisch dazu führt, dass acht CDs mit Wagner vollgestopft sind. Selbst auf die verbleibenden zwei wurden schnell mal noch zwei Dokumente aus Tannhäuser und Holländer geklemmt – zum einen die Szene aus dem Venusberg mit Margarete Bäumer „Stets soll nur dir, nur dir mein Lied erklingen“, zum anderen der Erik in der Auseinandersetzung mit Senta (Annelies Kupper) „Was muss ich hören“ aus der DG-Gesamtaufnahme unter Ferenc Fricsay.
Spannend und lehrreich zugleich finde ich die verbleibenden hundertzehn Minuten mit Szenen aus Fidelio von Beethoven, Guntram von Strauss, Rose vom Liebesgarten von Pfitzner, Wildschütz von Lortzing, Freischütz und Euryanthe von Weber, sowie Tiefland und Tote Augen von d’Albert. Sie wecken Begehrlichkeiten. Ich hätte gern noch mehr davon gehört. Denn diese Aufnahmen außerhalb des Dunstkreises von Wagner lassen tief in die Werkstatt dieses Sängers blicken. Es wird deutlich, wie er seine relativ kleine Stimme mittels phänomenaler Technik ins große Fach erweitern konnte. Windgassen war ein Heldentenor dank seiner Intelligenz. Das funktionierte auf Dauer nur, weil er zwischendurch immer wieder den Tamino gesungen hat. Von hm können all jene lernen, die sich zu früh und zu ausschließlich auf Wagner werfen.
Die Fünfte im Bunde dieser Betrachtungen ist Anneliese Rothenberger – die Stimme für Millionen, wie sie auf ihrer Box bezeichnet wird, die unter dem Label Membran auf den Markt gekommen ist (232764). Das trifft es. Die Rothenberger kennt (fast) jeder. Ihre Fernsehkarriere hat ihr ein großes Publikum, nicht aber immer Beifall der Kritik und der Opernfraktion eingebracht. Es ist eine glückliche Entscheidung, nur solche Aufnahme ins Programm der Edition aufzunehmen, die vor dieser Zeit entstanden sind, nämlich zwischen 1950 und 1958. Damals waren übrigens die Rothenberger, die Mödl und Metternich zeitweise gleichzeitig in Hamburg engagiert. Eine gemeinsame Aufnahme lässt sich allerdings nicht nachweisen. Ach, wäre das schön gewesen. Dafür aber findet sich eine Nummer auf CD 7 als Track 5, die allein die Anschaffung dieser Box lohnt: „Künstlerball bei Kroll“ aus Künnekes Die lockende Flamme. Diese drei Minuten sind für mich eines der rasantesten Operettendokumente, die ich kenne. Die Rothenberger setzt ein Feuerwerk in Gang. Sie rast atemlos durch das Couplet mit einer Textmenge, die selbst Wotans Walküre-Monologe in den Schatten stellt. Sie ist frech, lästert unverschämt. Niemand ist vor dieser scharfen Zunge sicher. Eine ganze Gesellschaft bekommen ihr Fett weg. So frei und unverstellt habe ich sie nie wieder gehört. Am Ende musste ich die CD erst einmal anhalten, um selbst Luft zu holen für das weitere Programm.
Denn das hat es in sich, ist noch reichhaltiger als bei Metternich. Operette, so weit das Ohr reicht. Neben den gängigen Titeln auch seltene Stücke wie Die verschleierte Maja von Michael Jary, Anita und der Teufel von Theo Mackeben oder Anouschka und der Walzerkönig von Rudolph Schmidt. Drei englisch gesungene Szenen aus Gershwins Porgy and Bess mit Lawrence Winters berühren mehr, als dass sie das Idiom dieses Werkes treffen. Schwebend die Gilda mit „Teure Name, dessen Klang“ aus Rigoletto, alles andere als langweilig die versonnene Szene „Bin ich am Wald“ aus Pfitzners Christelflein. Alles, was ich an den späteren Aufnahmen der Rothenberger auszusetzen habe, gerät in Vergessenheit angesichts dieser verschwenderischen Fülle an Begabung und Talent der jungen Frau.
Nun also Elisabeth Schwarzkopf mit ihren „größten Erfolgen“. Ob die Kinderlieder des Gelegenheitskomponisten Walter Gieseking tatsächlich dazu gehören, sei dahin gestellt – auch dann nicht, wenn er selbst am Klavier, seinem eigentlichen Metier, sitzt. Lieder von Carl Loewe, Richard Trunk und Hermann Zilcher sind ebenfalls nicht das, was einem bei Schwarzkopf zu allererst einfällt. Da müssen andere Komponisten her: Strauss, Mozart, Wolf. Die finden sich natürlich auch in der Sammlung. Drei Ausschnitte aus dem Rosenkavalier, zwei davon aus der berühmten EMI-Produktion von 1956 unter Herbert von Karajan, sind gesetzt. Die Schlussszene aus der Gesamteinspielung von Capriccio mit Wolfgang Sawallisch am Pult auch. Ariadne auf Naxos und Arabella kommen hinzu. Wenn ich ihre Arabella höre, verfalle ich jedes Mal in Wehmut, dass keine Gesamtaufnahme zustande gekommen ist. Ehemann und Produzent Walter Legge hielt das Werk damals in seiner Gänze nicht für markttauglich. Er, der gewöhnlich weit in die Zukunft blicken konnte, hatte sich diesmal geirrt. Arabella ist heute aus den Spielplänen nicht mehr wegzudenken.
Dass die Vier letzten Lieder nicht fehlen dürfen, versteht sich von selbst. Es wurde – völlig zu Recht – die erste Einspielung, die Otto Ackermann dirigiert, ausgewählt. Die glitzert nicht so wie die von George Szell dirigierte Stereo-Aufnahme, dafür fließt die Stimme so wunderbar. Sie gilt Kennern nach wie vor als die gelungenste. Mozart ist mit jenen Opern berücksichtigt, die über Jahre zum festen Bestandteil ihres immer kleiner werdenden Repertoires gehörten: Figaro, Don Giovanni, Cosi fan tutte. Die drei Cosi-Szenen sind ausschließlich der frühen Karajan-Produktion entlehnt, bei den anderen beiden Opern wurden verschiedene Quellen angezapft. Lieder dieses Komponisten in frühen Rundfunkproduktionen (1944) mit Michael Raucheisen offenbaren eine Natürlichkeit und Schlichtheit, die später mehr und mehr der Kalkulationen wichen. „Erwacht zu neuem Leben“: Der Beginn des Liedes Frühlingsanfang könnte das Motto dieser, wenn nicht aller Boxen sein. Hugo Wolf kommt mit sechzehn Liedern etwas zu kurz weg. Fast alle ihre vielen Liederabende hatten eine Gruppe von Wolf-Liedern im Programm. Ohne die Kernarbeit von Schwarzkopf und Legge, der schon in den 1930er Jahren für ihn warb, hätte Wolf heute nicht den Stellenwert, der ihm tatsächlich auch gebührt. Die Wahl fiel auf vierzehn Titel aus dem Liederabend 1953 in Salzburg, als Wilhelm Furtwängler am Flügel saß. Im Gänze ist das ein höchst eigenwilliges und unterhaltsames Dokument. Es sollte nicht zerteilt werden. Wie stark die Schwarzkopf das Ausdrucksspektrum bei Wolf-Liedern erweitert und bestimmt hat, wird erst im Studio in der Zusammenarbeit mit Gerald Moore offenbar.
Drei CDs mit Operette, Walzern und leicht gehaltenen Liedern betonen die heitere Seite der Sängerin, von der sie sich gern zeigte. Die Schwarzkopf-Diskographie ist unerschöpflich. Und immer noch kommen neue Titel hinzu. Für neue Ausgrabungen ist der bevorstehende 100. Geburtstag hoffentlich Anlass genug.
Rüdiger Winter