Einheitsbrei

 

Hört man Anna Prohaskas neueste Alpha-CD (ALPHA581) mit dem verheißungsvollen Titel Paradise Lost hintereinander weg,  ohne auf die Liste der Tracks zu schauen, dann glaubt man bisher unentdecktes Material einer bisher nie zur Kenntnis genommenen Epoche in einer bisher noch nie gehörten, recht ausdruckslosen Sprache zu vernehmen, und ist umso erstaunter, dass es um Lieder und Songs von Purcell bis Reimann und allem zwischendurch sowie die drei doch eigentlich bekannten und dem Hörer zugänglichen Sprachen Deutsch, Französisch und Englisch geht.

In mehreren Abteilungen, so um einen Morgen im Paradies, das auch mal Arkadien sein kann, um ländliche Idylle, aber auch um die Vertreibung aus dem Garten Eden und das irdische Leben geht es, es werden Texte bemüht, die in irgendeiner Form, und sei es nur der eines Apfels, mit dem Thema zu tun haben. Oft handelt es sich nur um ein Lied aus einem umfangreichen Liederkreis wie Schumanns „Warte, warte wilder Schiffmann“ oder Mahlers „Das irdische Leben“.

Das allerdings ist nicht der Haupteinwand gegen diese CD einer Sängerin, die dem Ensemble der Berliner Staatsoper, einst der Hort textverständlichen Singens, angehört. Beim ersten Track, Ravels „Trois Oiseaux“, kann der schwebende Flötenton, mit dem der Sopran aufzuwarten weiß, noch entzücken, er kann an sich reizvoll dort sein, wo er hingehört, ist aber nicht generell anwendbar, wie es die Sängerin offenbar für möglich hält. Schnell wirkt  der Sopran, dem das Fundament zu fehlen scheint, nur noch geschmäcklerisch, und bereits beim zweiten Track, Bernsteins „Silhouette“, kann zwar von der Leichtigkeit der Emission profitiert, die schwache Mittellage aber nicht kompensiert werden. Der Virtuosität der vorzüglichen und viel eher jeweils charakteristischen Begleitung von Julius Drake weiß die Sängerin bei Messiaen nichts entgegenzusetzen, für Faures „Chanson d’Eve“  ist das Farbspektrum zu begrenzt, nur bei Debussys „Apparition“ kommt es  zu einem schönen Einklang zwischen Stimme und Piano.

Immer wieder verstört den Hörer, wie der Sopran über Töne hinweg huscht, statt sie zu modulieren, und bei den beiden Wolf-Liedern nach Goethe-Texten versteht man kein Wort, selbst wenn man den Text kennt. So entsteht zunehmend der Eindruck, dem Hörer werde statt eines Streifzugs durch die Musikgeschichte zu einem Thema, dem des verlorenen Paradieses, ein verwaschener, silbenverschluckender Mischmasch undefinierbarer Stilrichtung  vorgesetzt.

Es gibt nur wenige Lichtblicke, wenn das Hingetupfte zu Reimanns „Gib mir den Apfel“ passen mag, wenn Ives‘ „Evening“ mild und schön verklingt, die Stimme für Purcells „Sleep, Adam“ instrumental geführt wird. Eine verhuschte „Auflösung“ von Schubert oder dessen „Abendstern“, dem eine vokale Dimension zu fehlen scheint, dazu angeschliffene Töne stören immer wieder und zunehmend. Wenn dann noch Schumann-Lieder bei Intervallsprüngen nach unten im Nichts zu enden scheinen, auf Prägnanz zugunsten eines Aufheulens verzichtet wird wie bei Eisler, dann bedarf es wirklich wie bei George Crumbs „Early Songs“ der Flucht zu YouTube, um sich bei Christine Schäfer die Gewissheit zu holen, dass es auch anders geht (Weitere Information zu den CDs/DVDs  im Fachhandel, bei allen relevanten Versendern und bei https://www.note1-music.com/shop/). Ingrid Wanja