Eine neue CD mit einem ganz ungewöhnlichen Programm legt Nuria Rial bei Sony vor (8888375442). Die katalanische Sopranistin ist eine renommierte Interpretin im Barock-Repertoire – hier wandelt sie mit ihrer Platte Vocalise auf ungewohntem Terrain. Begleitet wird sie von den Acht Cellisten des Sinfonieorchesters Basel in Kompositionen von Heitor Villa-Lobos und Bernat Vivancos. Letzterer arrangierte auch das katalanische Volkslied „El Cant dels Ocells“, das der Cellist Pablo Casals bei jedem seiner Konzerte im Exil als letztes Musikstück spielte. Die Sängerin hat diesen „Gesang der Vögel“ in das Programm ihrer CD aufgenommen – als Reverenz an ihre Heimat, war diese Melodie doch viele Jahre die heimliche Hymne der spanischen Flüchtlinge in der Fremde. Es ist eine Musik voller Melancholie, die zunächst a capella erklingt, bis später die Instrumente eine sanfte, einfühlsame Melodie anstimmen. Fast keusch führt die Solistin ihre Stimme und berührt damit sehr.
Vivancos’ eigene Komposition „Vocal Ice“ widmete er Nuria Rial und dem Baeler Cello-Oktett. Sie erklingt hier als Weltpremiere – ein schwermütiger Gesang in Form einer Vokalise, der von Liebe und Trost künden soll und im Gedenken an Michelangelos Pietà entstand. Rial findet hier zu besonders zarten, sensiblen Tönen, die wie aus einer fernen Welt zu kommen scheinen.
Astor Piazzollas Suite Las Cuatro Estaciones Portenas als instrumentaler Beitrag in der Reihenfolge Sommer, Herbst, Winter, Frühling auf die acht Titel der Platte verteilt. Ursprünglich für Streicher, Klavier, E-Gitarre und Bandoneon komponiert, fertigte der britische Cellist James Barralet 2013 eine Bearbeitung für acht Celli an, die hier erklingt. Mit dem „Verano“ als argentinischem Tango beginnt die Platte sehr sinnlich, rasant im Rhythmus, aber auch in melancholischer Stimmung. Der „Otono“ ist von herber, spröder Tongebung, findet später zu melodischen Inseln und verlangt den Musikern insgesamt ein hohes Maß an Virtuosität ab. Sehr elegisch hebt der „Invierno“ an, bietet duftige, träumerische Stimmungen. Die „Primavera“ markiert das Finale der Programmfolge und sichert ihr einen flotten Ausklang mit effektvollen rhythmischen Akzenten.
Ein Klassiker ist der Zyklus „Bachianas Brasileiras“ von Villa-Lobos, den der brasilianische Komponist für Sopran und acht Cellos als Hommage für Johann Sebastian Bach schrieb. Das bekannteste Stück daraus, und bereits von vielen berühmten Sängerinnen eingespielt, ist Nummer 5. Rial singt die Aria (Cantilena) mit tiefer Empfindung, lässt ihren leuchtenden, typisch mediterranen Sopran schweben, getragen von warmen, sonoren Klängen der Cellisten. In der Dança (Martelo) beweist sie Temperament und ein jazziges Feeling. Bernd Hoppe