Valerie Eickhoff im Gespräch

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Die junge Mezzosopranistin Valerie Eickhoff hätte es sich für ihr CD-Debüt auch einfacher machen können. Doch warum mit schönen Bravourstücken brillieren, wenn es jenseits der Komfortzone auch „brennendere“ Themen gibt. In heutigen kriegstrunkenen Tagen sind die Exil-Texte von Bertolt Brecht und die von Hanns Eisler dazu komponierte Musik für das „Hollywood Songbook“ ein aufwühlendes Statement.

Zusammen mit dem Pianisten Eric Schneider hat sich Valerie Eickhoff diesem Repertoire angenommen, das er während seines amerikanischen Exils verfasste. Hier fand er Zuflucht vor den Nazis und dem Zweiten Weltkrieg, doch auch in den USA war Eisler wegen seiner Kapitalismuskritik nicht gut gelitten. Die Distanz zum weltkriegsgebeutelten Europa mag für den Komponisten fruchtbar gewesen sein, um die Botschaft von Brechts Texten durch die Musik noch eindringlicher zu bündeln.

Das hochmotivierte Duo beweist auf dieser Aufnahme ein tiefes intuitives Verständnis von Texten und der Musik. Valerie Eickhoff mit ihrem Mezzosopran und Eric Schneider als kraftvoll akzentuierender Klavierspieler machen in den insgesamt 48 Einzelstücken dieses CD-Programms hörbar gemeinsame Sache.

Der komplexe Kompositionsstil des Schönberg-Schülers mit seinen kantigen Intervalle und schroffen Tonlagenwechseln, Anflügen von Dodekafonie und Jazz-Elementen ist für die junge Mezzosopranistin Herausforderung genug, welcher sie sich, was hörbar ist, vorbehaltlos annimmt. Flexibel navigiert Valerie Eickhoffs Stimme durch die Registerwechsel und Intervallsprünge, was die Höhen mit expressionistischem Drängen auflädt, während in der Mittellage Momente von eine aufrichtig empfindender Lyrik imemr wieder tief berühren. Auch Eric Schneider hat sich tief in die Sache eingehört, um auf dem Flügel mächtige Klangräume bereitzustellen und der Dramatik genug dynamische Kraft zu geben. Es ist ein Kosmos, in dem neben aller verstörenden Wucht auch viel musikalische Schönheit und menschliche Innigkeit lebt. Eisler wusste bei aller Modernität auch immer, effektvoll und un-akademisch die Töne zu setzen – und nie einen zu viel davon. Immer wieder überraschende Wendungen stehen für das ständig lauernde Doppelbödige, was auch nicht selte ins Bodenlose fallen lässt.

Niemals geriet Hanns Eisler in Versuchung, Brechts lakonische Worte durch Musik zu verwässern oder zu romantisieren. Tief berührende emotionale Momentaufnahmen wie im Stück „Der Sohn“ fächern eine breite Palette von Emotionen auf, die von unschuldiger Liebe bis hin zu Verzweiflung und Bitterkeit reicht. Kindliche Lyrik schwingt in Valerie Eickhoffs Stimme, etwa in der Liebeserklärung „An den kleinen Radioapparat“, aus dem im nächsten Moment wieder das Gebrüll der Kriegspropaganda scheppert. „Auf der Flucht“ suggeriert durch ruhelos pochende Klaviertöne ein auswegloses Drängen. Zwei Inschriften-Tafeln inspirierten expressive Miniaturen über die anonymen Gefallenen im Krieg. „Über den Selbstmord“ beginnt wie eine zärtliche Elegie, bevor das finale Wort, in dreifachem Fortissimo von Stimme und Klavier herausgeschleudert, die Brutalität eines solchen Aktes hervorhebt.

Die Hollywood-Elegien markieren eine kleine Welt für sich im „Hollywood-Songbook“. Hier geht es spürbar metaphorischer zur Sache. Die „Anakreontischen Fragmente“ sorgen für zusätzlichen Reiz dadurch, dass Valerie Eickhoffs Gesang hier auch mal auf englisch und französisch zu erleben ist. Das finale Stück mit dem Titel „Sturmesnacht“ ist anders als alles, was vorher war: Jetzt nimmt die Mezzosopranistin den Druck und die Spannung weitgehend heraus, dass es fast wie ein schlichter Choral anmutet. Brecht wagt hier einen im wortwörtlichen Sinne entwaffnenden Ausblick: Die Menschen werden es vielleicht schaffen, die ganzen Hitlers der Weltgeschichte zu überwinden. Aber sie müssen sich bemühen. Tun sie das?

Eine ironische Randnote im Zusammenhang mit der Aufnahme dieser bedeutenden Musik hätte vielleicht Bertolt Brecht zu einem weiteren Text inspiriert: Valerie Eickhoff und Eric Schneider mussten sich mit der Aufnahme dieses Stücke-Marathons beeilen. Denn das Rosbaud-Studio des SWR, ein musikhistorisch bedeutsamer, akustisch exquisiter und allemal würdiger Ort für so ein Unterfangen, wurde kurz danach abgerissen (Ars152096548;.). Stefan Pieper

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Anlässlich der neuen CD führte Stefan Pieper auch ein Gespräch mit der Sängerin: Diese zeitlose Botschaft lässt mich über die Gegenwart nachdenken“ Die Mezzosopanistin Valerie Eickhoff, im Jahr 1996 in Herdecke geboren und aktuell als Gast an der Düsseldorfer Oper am Rhein engagiert und längst international gefragt, hat sich mit bemerkenswerter Konsequenz auch dem Liedfach angenommen. Jetzt gerade hat sie zusammen mit dem Pianisten Eric Schneider ihre Debut-CD vorgelegt – Hanns Eislers Zyklus „Hollywood-Songbook“ nach Texten von Bertolt Brecht ist in aktueller Zeit ein erschütterndes, pazifistisches Statement. Was sie antreibt und bewegt und wo sie in ihrer jungen Karriere noch alles hin will, erläuterte sie im Gespräch mit Stefan Pieper für opera lounge. Am 28. März gibt es ein CD-Präsentationskonzert im Pianosalon Cristophori. 

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Sie sind gerade erst aus Hongkong zurückgekehrt. Was haben Sie erlebt? In Hongkong debütierte ich in der Rolle der Dryade bei einem Gastspiel der Bayerischen Staatsoper. Es war meine erste Zusammenarbeit mit der Bayerischen Staatsoper. Wir haben „Ariadne auf Naxos“ aufgeführt, es war großartig neben etablierten Größen der Opernwelt, auf der Bühne zu stehen. Kurz zuvor feierte ich mein Konzert Debüt in Italien mit Liedern von Gustav Mahler. Wir haben drei Konzerte in Florenz, Livorno und Pisa unter der Leitung von Emmanuel Tjeknavorian. Die Atmosphäre in Hongkong war einzigartig. Auch die Toskana bot eine wunderschöne Kulisse für die Konzerte – und das Publikum war von den Liedern begeistert.

Wie fühlen Sie sich jetzt, wo Ihre Debüt-CD veröffentlicht ist? Diese Veröffentlichung ist ein aufregender Moment für mich. Ich bin sehr dankbar, dass dieses Album ab sofort erhältlich ist. Es war eine intensive und lohnende Erfahrung, diese Lieder aufzunehmen und ich hoffe, dass sie den Hörern genauso viel Freude bereiten werden, wie sie mir beim Aufnehmen gemacht haben.

Wie kam es dazu, dass Sie sich für das Hollywood-Songbook von Hanns Eisler entschieden haben? Es fühlte sich einfach von Anfang an richtig an. Die Texte und die Themen, die da behandelt werden, könnten aktueller gar nicht sein und berühren mich sehr. So traurig das ist. Es ist wichtig, dass solche Botschaften gehört und verstanden werden, auch wenn sie oft erschütternd sind. Die Musik von Eisler und das Hollywood-Songbook transportieren so etwas auf eine raffinierte Art und Weise. Das ist einfach es wert, entdeckt zu werden.

Wollen Sie bewusst aus einer gewissen Komfortzone raus mit diesem Debut? Ich habe mir gedacht, warum soll ich jetzt eine weitere von ganz vielen Best-of-Mezzo-Sopran-Arien-CDs als Debüt-Aufnahme herausbringen, wenn es so etwas doch schon von so vielen Leuten gibt. Also mache ich doch lieber etwas, was es noch nicht gibt und was auch zeitgeschichtlich gerade sehr relevant ist. Hinzu kommt, dass es meine Erachtens noch keine Komplettaufnahme dieser Werke von einer Frau bislang gegeben hat.

Wo sind Sie dieser Musik zum ersten Mal begegnet und wie ging es dann weiter? Das erste Mal bin ich mit Eisler in Berührung gekommen, als ich für das Robert-Schumann-Fest in Düsseldorf einen Liederabend gestalten sollte. Der Veranstalter schlug vor, einige Lieder aus dem Hollywood-Songbook mit einzubeziehen. Daraufhin habe ich den Pianisten Eric Schneider gefragt, der bereits eine CD mit Eisler-Liedern aufgenommen hatte, und wir haben uns gemeinsam mit dem Repertoire auseinandergesetzt. Obwohl diese Lieder ganz anders als Schubert oder Schumann sind, passten sie gut zu mir und meiner künstlerischen Ausrichtung. Wir haben zunächst einen Teil des Hollywood-Songbooks aufgenommen und dann beschlossen, das gesamte Album einzuspielen. Insgesamt haben wir fünf Tage für die Aufnahmen gebraucht, aufgeteilt in zwei Blöcke. Der erste Block fand im Februar 2023 statt, der zweite im August. Dazwischen war ich im Juni oder Juli nochmal in Berlin, um den zweiten Teil vorzubereiten und dort zu proben.

Was machen die Lieder aus dem Hollywood-Songbook mit Ihnen? Beim ersten Hören denkt man vielleicht nur, dass es schöne Lieder sind. Aber wenn man genauer hinhört, erkennt man, worum es wirklich geht und welche Botschaften transportiert werden. Oft erlebt man dann einen bestürzenden Aha-Moment. Sozusagen als Bonustrack zum Hollywood-Songbook habe ich Eislers Lied „In Sturmesnacht“ hinzugefügt, da es mir wegen seiner klaren Aussage sehr am Herzen liegt: Wenn wir alle zusammenhalten, sind wir stärker als autoritäre Regime wie Hitler oder vielleicht auch in der heutigen Zeit Putin. Diese zeitlose Botschaft berührt mich sehr und lässt mich über die Gegenwart nachdenken.

Können Sie ein paar Herausforderungen beim Singen bestimmter Lieder beschreiben? Ich kann mir vorstellen, Eislers Kompositionsstil ist fürs Singen etwas gewöhnungsbedürftig. Ein Stück, das mir sofort in den Sinn kommt, ist „Später Triumph“. Beim Singen fühlt es sich zunächst unangenehm und sperrig an, aber genau das war wohl die Absicht des Komponisten. Der Text verstärkt dieses Unbehagen. Aber genau darum geht es: Eine eindringliche Bildkraft zu transportieren, die jeder empfindet, der das Stück hört.

Wie sind Sie auf das Label Ars gekommen und wie war die Erfahrung damit? Ich hatte vor circa zwei Jahren Kontakt mit Frau Schumacher vom Label Ars, nach dem ARD-Wettbewerb. Damals hatten wir bereits überlegt, gemeinsam ein Projekt zu realisieren, aber zu dieser Zeit war alles noch recht vage und ich hatte kein klares Ziel vor Augen. Als wir dann mit der Idee für diese Debüt-CD kamen, habe ich Frau Schumacher erneut kontaktiert und sie war sofort begeistert dabei. Ihr Engagement und ihr Interesse an interessantem Repertoire sind wirklich bemerkenswert und ich bin froh, dass wir mit Ars zusammengearbeitet haben.

Wie meistern Sie eine so große Bandbreite zwischen Ihren Opernrollen und einer derart ambitionierten Liedproduktion wie „Hollywood-Songbook“? Es ist für mich eine faszinierende Verschmelzung zweier Welten. Mein Gesangslehrer Konrad Jarnot hat mir immer geraten, auch das Liedrepertoire zu pflegen, und das habe ich beherzigt. Neben meiner Arbeit mit Orchestern und in der Oper ist das Lied für mich eine wichtige Facette meines Gesangs. Es erlaubt mir, meine Stimme auf eine andere Art zu nutzen und verschiedene Nuancen auszudrücken. Etwas erschwerend kommt hinzu, dass im Liedfach der Markt relativ eng ist und es weniger Möglichkeiten gibt. Umso dankbarer bin ich für jede Gelegenheit, die sich auftut. Ein aktuelles Beispiel ist meine Aufführung von Mahlers „Des Knaben Wunderhorn“ in Italien. Solche Projekte sind Balsam für die Seele. Ich liebe auch die Musik von Korngold sehr. Ebenso finde ich Mischformen aus Lied und Arie, wie zum Beispiel Respighis „Tramonto“, finde ich reizvoll. Ich habe dieses circa 15-minütige Werk bereits mit dem Adelphi Streichquartett aufgeführt. Bald folgt eine Version mit einem Streich-Orchester in Zusammenarbeit mit dem Kurpfälzischen Kammerorchester

Sehen Sie in solchen Liedprojekten einen eigenen künstlerischen Freiraum jenseits des Opernbetriebes? Ja, ich sehe in solchen Liedprojekten definitiv einen eigenen künstlerischen Freiraum. Auf der Opernbühne verkörpert man eine Rolle, die oft von Regisseur:innen und Dirigent:innen vorgegeben wird. Im Liedbereich hingegen kann ich selbst entscheiden und meine eigene Interpretation in den Vordergrund stellen. Das ist eine kreative Freiheit, die mir sehr wichtig ist. Natürlich gibt es auch hier einen Duo-Partner, aber letztendlich können wir zusammen eine Interpretation selbst gestalten und ausleben.

Haben Sie bestimmte Bilder im Kopf für Ihre Zukunft als Künstlerin? Ich möchte immer offen für neue Erfahrungen bleiben, denn Neugier ist für das künstlerische Schaffen am wichtigsten. Ich würde gerne an renommierten Opernhäusern wie der La Scala, der Metropolitan Opera in New York und der Wiener Staatsoper auftreten. Auch Konzertorte wie die Carnegie Hall oder die Wigmore Hall stehen auf meiner Liste. Mein Ziel ist es, mit bedeutenden Dirigenten und Dirigentinnen zusammenzuarbeiten und Liederabende in renommierten Konzertsälen zu geben. Seit meinem Engagement in Kopenhagen 2022 habe ich gemerkt, dass mich das Reisen und die Zusammenarbeit mit inspirierenden Menschen glücklich macht. Ich schätze den sozialen Aspekt meines Berufs sehr, da ich ständig neue Menschen kennenlerne und mich dadurch als Künstlerin weiterentwickeln kann. Persönliche Erfahrungen spielen eine entscheidende Rolle beim Erzählen von Geschichten. Es ist schwierig, authentisch und einfühlsam zu sein, wenn man nicht selbst etwas erlebt hat.

Sie haben neben vielen anderen Wettbewerben, ja auch den ARD-Wettbewerb erfolgreich absolviert. Was für Möglichkeiten und Wege hat er Ihnen eröffnet? Ich frage deswegen, weil dieser Wettbewerb ja von massiven finanziellen Einsparplänen bedroht ist. Ja, ich habe kürzlich mit einer Vertreterin des Wettbewerbs gesprochen und erfahren, dass die Zukunft des Wettbewerbs unsicher ist. Vor allem dieser Wettbewerb ist meines Erachtens extrem wichtig für die Sichtbarkeit und Vernetzung junger Musikerinnen und Musiker. Für meine bisherige Entwicklung waren auch noch andere Wettbewerbe von Bedeutung – zum Beispiel „Neue Stimmen“ sowie der Concours musical international de Montréal, Kanada. Dort durfte ich wieder einmal die Erfahrung genießen, in einer schönen Halle mit einem Orchester zu singen. Solche wertvollen Erfahrungen bereichern immer wieder das Leben.

Was steht als nächstes an? Ich stehe vor meinem Rollen Debüt als Angelina in „La Cenerentola“ in Düsseldorf an der Deutschen Oper am Rhein. Direkt danach habe ich ein Konzert in Mannheim mit dem SWR, bei dem wir die Wesendonck-Lieder mit Kammerorchester und „Il Tramonto“ von Respighi aufführen werden. Ganz besonders freue ich mich auf mein CD-Präsentationskonzert am 28. März im Piano-Salon Christophori in Berlin. Das ist eine großartige Gelegenheit, die Lieder live zu präsentieren und mit dem Publikum zu teilen. Ich hoffe, dass viele Freunde und Interessierte dabei sein können. Im Mai gebe ich mein Konzertdebüt in Spanien. Zusammen mit dem Pianisten Hartmut Höll werde ich am 21. Mai einen Liederabend in Barcelona bei Life Victoria geben (alle Photos Valerie Eickhoff).