Auf den Spuren der Kollegin

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Gern ein einem bestimmten Komponisten gewidmeten, ein Mozart- oder Puccini-Album nehmen Sänger auf, um sich zu präsentieren, auch mit einem Querschnitt durch das eigene Repertoire gelingt das gut, beides jedoch spricht inzwischen von wenig Originalität.  Eher gelingt das dem mittlerweile auch beliebten Sichbeziehen auf einen berühmten Sänger oder eine Sängerin der Vergangenheit, was nun auch die Französin Eva Zaicȉk mit einer Hommage à Célestine Galli-Marié, der ersten Carmen, der ersten Mignon und des ersten Fantasio- das sind nur die auch heute noch bekannten Opern und Partien.

Nicht zufällig fällt die Wahl von auch zwei Arien aus Carmen auf deren 150. Geburtstag und den ebenfalls 150. Todestag ihres Schöpfers Georges Bizet. Eine Anregung zur CD gab nach Auskunft des Booklets Didier Martin von Alpha Classics, und auch der Austausch mit Alexander Dratwicki vom verdienstvollen Palazetto Bru Zane trägt auf der CD seine Früchte.

Célestine Galli-Marié war bereits 38 Jahre bei der Uraufführung von Carmen und damit eigentlich nach den Vorstellungen ihrer Zeit eher als Komische Alte denn als jugendliche Liebhaberin einsetzbar. Ihre Karriere hatte sie in Rouen als Mab in Michael W. Balfes Bohemian Girl begonnen, hatte schnell Erfolg und damit die Berufung nach Paris sicher  und sang in 15 Jahren sechzehn neue Partien, darunter auch in der heute vergessenen Oper L’Ombre von Friedrich Flotow.

Bizet „Carmen 1874“: nach vielem Hin und Her sang Célestine Galli-Marie die erste Carmen/hier im Kostüm, Gemälde von Henri Lucien Doucet 1887/Wikipedia

Die Auswahl der Tracks auf der CD verrät eine Vielfalt der Stile, die auch typisch für das Repertoire von Célestine Galli-Marié  war, allerdings kann man das Repertoire beider Sängerinnen nicht miteinander vergleichen, denn Eva Zaicȉk singt sehr viel Barockmusik, während ihr Vorbild zeitgenössischen Opern zur Uraufführung verhalf. Mit dem Titel Rebelle soll nicht nur die Gemeinsamkeit der Vorliebe für einen bestimmten Frauencharakter hervorgehoben werden, sondern sicherlich auch eine Verbeugung vor dem heutzutage sich besonders in Szene setzenden Feminismus gemacht werden. Carmen bedient dieses Frauenbild, Mignon eher weniger, und zumindest die Texte der Arien aus den heute nicht mehr bekannten Opern, teilweise wie Fantasio und Venerdì aus Robinson Crusoé sogar  Hosenrollen, sind nicht besonders kämpferisch.

Eva Zaicȉk  war Preisträgerin  des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs in Brüssel und errang 2018 einen hochbewerteten französischen Preis für junge Opernsänger.

Die beiden Arien der Carmen, Habanera und Seguidilla , werden ebenso wie die der Mignon nicht zusammenhängend , sondern über die sechzehn Tracks verstreut dargeboten, wobei sich der Mezzosopran eher als Mignon als bei Carmen in seinem Element fühlen kann. Für die Seguilla ist die Stimme zu zart und zu fein, exquisit, aber nicht lockend verführerisch, auch der Juchzer am Schluss kann nicht darüber hinwegtäuschen.  Der Habanera fehlt zwar nicht französischer Charme, aber die vollmundige Sinnlichkeit, auch wenn das Cover , ein Portrait der Sängerin nicht mit einer Rose oder einer ähnlich verführerischen Blume, sondern einer Distel im Mund wohl von besonderer Emanzipation künden soll.  Die Rückseite zeigt die Sängerin dann, auffallend männlich streng gekleidet, mit vielen Rosen,  die bis auf eine jedoch zertreten am Boden liegen.

In MignonsElle é là“ wird dem Mezzotimbre Sopranglanz hinzugefügt, die Arie wird sehr empfindsam gesungen, und nur in der Extremhöhe klirrt es leicht. In der Romanze des geheimnisvollen Mädchens Mignon „Kennst du das Land“ kann die sanfte Klage rühren und überzeugen.

Begonnen wird mit dem Chanson der Colombine aus Poises La surprise d’amour, das, spanisch anmutend,  schwungvoll und mit viel Schalk in der Stimme dargeboten wird. Mit angemessener Leichtigkeit, aber auch recht brav wird die Nuit d’amour et de plaisir“ besungen,  geläufig und in schön geschwungenen Bogen macht sich Offenbachs Fantasio bemerkbar, dessen Freitag aus Robinson Crusoé sich durch seine Empfindsamkeit auszeichnet. Victor Massés Chanson Bohémienne berührt trotz des neckischen Lachens am Schluss eher durch Mädchenhaftigkeit aus als durch die erwünschte wilde Ungebundenheit.

Die ausgerechnet zu Weihnachten verlassene Marthe aus Ernest Guirauds Piccolino zeichnet sich durch ihre sanfte Trauer aus, Massenets Berceuse de Lazarille ist angemessen sanft dargeboten  und erfreut durch das perfekte Legato.

Das Orchestre National de Lille unter Pierre Dumoussaud erweist sich mit die unterschiedlichen Charaktere der Stücke präzise herausarbeitendem Spiel als ideale Begleitung für die Sängerin (Alpha 1128). Ingrid Wanja (28. 06. 25)

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