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Eine CD mit dem umfassenden und anspruchsvollen Titel Licht zu beglücken ist allemal ein Wagnis, besonders wenn einige der Tracks sich O finstre Nacht oder Nach dem Lichtverzicht nennen. Da nun einmal die Romantik die Zeit der Lieder ist und sie Abend und Nacht besonders feiert, ist der Titel Licht eher unpassend. Gleich 800 Years of German Lieder auf gut siebzig Minuten CD bewältigen zu wollen, mutet verwegen an, denn da muss man einfach einmal mir nichts dir nichts einige Jahrhunderte überspringen. Ein Booklet mit unzähligen Druckfehlern beizusteuern und zu behaupten, einige Liedtexte, so von Friedrich Rückert, der vor mehr als 150 Jahren das Zeitliche gesegnet hat, seien wegen des copyright nicht abdruckbar gewesen, ist schon eine gewisse Zumutung an den Leser, genau wie ein Ausflug durch die Reiche aller Weltreligionen in einem so kurzen Text, welchen ein Booklet einfach nur haben kann.
Es beginnt mit zwei Beiträgen aus dem mittelalterlichen Minnesang, einem Text Oswald von Wolkensteins, zu dem eine Musik nicht nachgewiesener Herkunft gesungen wird von einem üppigen, dunklen Mezzosopran mit einer eher raunenden Begleitung. Danach singt die ebenmäßige, in allen Registern sich durch eine schöne Farbe auszeichnende Stimme Walthers von der Vogelweide Unter der linden, leider nicht in Mittelhochdeutsch und leider von dem Irrtum ausgehend, Frauenlieder seien eine „Kuriosum“ gewesen. Das trifft nicht zu, eines der ersten Lieder, Ich zoch mir einen falken, ist ein solches. Auch die „spirituelle Dimension“ bleibt eine nicht nachgewiesene Behauptung, so wie die angebliche Haft Luthers in Eisenach, mit der wohl die Zuflucht gemeint ist, die dieser auf der Wartburg fand. Dass es sich bei Bach, der nun folgt, um den „größten Komponisten der Aufklärung“ handelt, ist altes DDR-Wissen, dem die allgemein nachvollziehbare These gegenüber steht, dass mit des Komponisten Tod auch die Epoche des Barock ihr Ende fand. Das ändert nichts daran, dass zwar für die beiden Stücke des Leipzigers die Diktion eine recht verwaschene ist, dass aber die Stimme von Anna Lucia Richter klar, rein und gut konturiert, wenn auch etwas geschmäcklerisch eingesetzt, der Musik gerecht wird. In Haydns Landlust leuchtet der Mezzosopran angemessen, bei Mozarts Abendempfindung zeigt sich die Klavierbegleitung von Ammiel Bushakevitz als besonders empfindsam, für Schuberts Der Zwerg erweist sich das tiefe Register der Sängerin als zu flach, Im Abendrot strahlt eine schöne Ruhe aus. Vielfach vertont ist Eichendorffs Frühling, die Sängerin wählte die Komposition von Fanny Mendelssohn und hat für sie einen glanzvollen Jubelton. Der Bruder steuert Neue Liebe auf einen Text von Heinrich Heine bei, überromantisch die Parodie streifend und von der Sängerin am Schluss mit schönem Pathos bedacht. In dunkler Trauer endet Schumanns Die Fensterscheibe, die Stimmung von seinem Abendlied wird konsequent durchgehalten. Auch Johannes Brahms ist vertreten und zwar mit Sommerabend, dessen dunkle Leichtigkeit gut getroffen wird. Abgesehen vom Refrain geht der Text von Mörikes Feuerreiter in der Vertonung von Hugo Wolf leider fast gänzlich verloren, aber spätestens bei diesem Lied geht dem Hörer auch auf, dass die Sängerin nicht der Versuchung erlag, allseits bekannte Lieder auszuwählen, dass sie auch weniger Populäres anbietet. Leider gibt e keinen Richard Strauss, dafür aber gleich vier Lieder von Alban Berg, derer drei Texte des Symbolisten Albert Mombert beinhalten und deren Atmosphäre von Richter und Bushakevitz zutreffend eingefangen wird. Auch die Verhaltenheit von Eislers Und endlich stirbt wird schön vermittelt, Weills Berlin im Licht klingt recht verrucht, und zum Schluss wird mit einem gregorianischen Gesang zum Anfang zurückgekehrt (CC72965). Ingrid Wanja