Warum?

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Kaum ein rennomierter Sopran, der nicht die Mimi und kaum ein berühmter Tenor, der nicht den Rodolfo sang, selbst der Belcanto-Purist Alfredo Kraus bekannte sich zu dieser nie wiederholten Jugendsünde, und Monteserrat Caballé legte sich noch als würdige Matrone auf das Sterbebett der Grisette. Da  bedarf es schon einigen Mutes, noch eine Gesamtaufnahme von Puccinis La Bohème und dazu noch aus dem italienfernen Dublin von der dortigen Irish National Opera auf den Markt zu bringen.

Es ist auch das Liebespaar, das den Zuhörer mit zunehmendem Befremden an seinem traurigen Schicksal teilnehmen lässt, nicht weil es über hässliche, schlecht ausgebildete Stimmen verfügen würde, sondern weil diese, in beiden Fällen angenehm und technisch versiert, einfach zu leicht für Puccini sind, was wiederum zur Folge hat, das das Orchester streckenweise allzu verhalten, Puccini gemäße Üppigkeit vermissen lassende Vorsicht walten lassen muss. So stehen eine zaghafte, vorsichtige Begleitung und ein unverhofftes üppiges Aufblühen  ziemlich unverbunden neben-, nein, nacheinander, Spannungsreiches wechselt ab mit schüchtern Zurückhaltendem, auch im ersten Akt ein teilweise langsames, im zweiten Akt ein teilweise sehr flottes Tempo. Auf keinen Fall kann man dem Dirigenten Sergio Alapont vorwerfen, er nehme keine Rücksicht auf die Solisten.

Das geschieht ganz besonders auch bei der Begleitung zu „Mi chiamono Mimi“, wo Celine Byrne eine zarte Sopranstimme mit blassen Farben vernehmen lässt, ein helles, eher kindliches Timbre, das in der Höhe eher spitzig als aufblühend klingt, zwar berührend in seiner Fragilität, aber halt nicht einer Puccinistimme angemessen ist. Viele Phrasen werden schön ausgesungen, im 3. Akt ist die Stimme von schmerzlicher Innigkeit, aber insgesamt doch eher einem leichteren Fach zuzuordnen. Das gilt auch für den Rodolfo von Merunas Vitulskis, einem lyrischen Tenor mit dünner, blässlicher, wenn auch sicherer Höhe, der die Arie im ersten Akt empfindsam interpretiert, für deren zweiten Teil ein zartes Aufblühen zur Verfügung hat, im dritten Akt Phrasen von schöner Melancholie singt und sich zum Schluss des ersten Akts eines allerdings nicht von Puccini komponierten hohen Tons rühmen kann. Da geht die Partnerin natürlich hoffnungslos unter. Im Duett mit dem Bariton im vierten Akt klingt die Stimme wenig italienisch im Unterschied von der des Marcello, gesungen von David Bizic, der über eine markante und farbige, dazu geschmeidige Stimme verfügt. Elegant und verführerisch singt Anna Devin die Musetta des zweiten Akts, eher geziert als innig klingt ihr Gebet im vierten Akt. John Molloy kann mit Collines Mantellied eher angenehm auffallen als Ben McAteer mit der Schilderung des Papageienmordes. Schrecklich chargierend gibt sich Eddie Wade als Benoit, angenehmer als Alcindoro. Angemessen durchdringend ist die Stimme von Fearghal Curtis, der den Parpignol singt. Elaine Kelly gebührt ein Sonderlob für das Zusammenhalten des Chors im 2. Akt. Alles in allem ist das eher eine Aufnahme von lokaler als von internationaler Bedeutung (Signum Classics SIGCD702). Ingrid Wanja