Schelmisch blicken uns Elizabeth Montgomery, Agnes Moorehead und Dick Sargent aus Verliebt in eine Hexe an. Die amerikanische Fernsehserie aus den 1960er und 70er Jahren hat mit dieser Neuaufnahme von Hervé Niquet und Le Concert Spirituel so viel zu tun wie Warren Bakers Musik mit jener von Lully und seinen Zeitgenossen. Gar nichts. Zum 30jährigen Bestehen seines Ensembles zauberte sich Niquet mit seinen Protagonisten Karine Deshayes, Katherine Watson und Reinaud Van Mechelen eine Pasticcio-Oper, L’Opéra des Opéras, in der Mezzosopran, Sopran und Tenor in die Rollen der jungen Prinzessin, des mutigen Prinzen und der intriganten Zauberin schlüpfen. Ein bisschen Bewitched. Na ja. Immerhin ein hübscher Hingucker, der manchen, wie den Dirigenten selbst, an Uralt-Serien erinnert. Eine solche Uraltserie ist auch die Folge der 33 Nummern aus Ouvertüre, Zwischenspielen, Arien, Chören, Szenen und Duetten, mit der Niquet im Oktober 2017 in der Königlichen Oper in Versailles an die große Zeit der Opéra Royal erinnerte, als Ludwig XIV. beispielsweise 1671 Lully bat, aus Ausschnitten von rund dreißig Balletten ein „Ballet des ballets“ zu kompilieren. Diesem Beispiel und dem beliebten Brauch der Pastiches folgendend, entwarf Niquet L’Opéra des Opéras als Gipfel aller höfischen Opernpracht um 1700. Es funktioniert. Keiner würde merken, dass es sich nicht um eine originale Oper vom Hof Ludwig XIV. handelt. Wir wollen uns nicht mit der unterlegten Story mit den Standardsituationen wie Sturm, Schlaf, Kampf und Anrufungen beschäftigen. Kein Flickwerk ist auf jeden Fall die Musik. Die Abfolgen aus virtuosen Arien, von Trommeln und Trompeten begleiteten Chören und prächtigen Ballettnummern wirken wie aus einer Hand, sind aber von Lully und Rameau, Campra, Bertin de La Doué, Destouches, Stuck, Rebel, Colin de Blamont, Francouer, Montéclair, Leclair und Dauvergne. Benoït Dratwicki vom Centre de Musique Baroque de Versailles, Zwillingsbruder von Palazzetto Bru Zanes Alexandre Dratwicki, schreibt im Beiheft dieser Alpha-Classics-CD (Alpha 442), „All diese Musikstücke hintereinander zu hören, zeugt vom Fortbestand und der Kohärenz des französischen Stils, wie in Lully vorgefunden hatte, und der mehr als 100 Jahre von fünf Komponistengenerationen gepflegt wurde. Selbst wenn die Musik in einem Abstand von mehr als einen halben Jahrhundert geschrieben wurde, stehen die Komponisten zueinander nicht im Kontrast, sondern ganz im Gegenteil miteinander im Einklang. Denn die rechte Deklamation, der Sinn für die Bühne und das Pulsieren der Choreographie sowie die Neigung für harmonische und orchestrale Färbungen sind Elemente, die im Großen und Ganzen alle französischen Autoren dieser Zeit charakterisieren“. Von Mondonvilles Ouverture zu Titon et L’aurore bis zur Prinzen-Arie aus Lullys Armide spannen Niquet und Le Concert Spirituel, die eigentlichen Protagonisten dieses Fest-Pastiches, einen großen Spannungsbogen, dabei flammend und leidenschaftlich in der Sturm-Szene aus Alcyone von Marais, großartig in der subtilen Orchesterkunst der Ausschnitte von Rameau, der dann doch etwas aus dem Kreis seiner Kollegen heraussticht. Schön, wie nahtlos die erwähnte Sturmszene mit den Einwürfen des Prinzen in eine Tenor-Arie aus Rameaus Dardanus übergeht. Reinaud Van Mechelen gibt mit feinem, geschmeidigem Tenor den liebend zurückhaltenden Prinzen, Karine Deshayes zeigt sich in der Rolle der Endora von außerordentlicher Allüre, einzig die zarte Katherine Watson ist nicht ganz so bezaubernd, wie wir es von Samantha erwarten würden (Alpha 442). Rolf Fath