Für Donizettianer wartet Opera Rara mit einem bitter-süßen Bonbon auf: Donizettis Oper Le Duc d´Albe. „Den gibt`s doch schon!“ – murmeln nun manche und denken an die nicht wirklich aufregende Antwerpener Aufführung von 2012 bei Dynamic (CD und Video), die durch das angeklebte Finale entstellt wird, das Giovanni Battistelli im Auftrag von der Vlaamse Opera komponiert hatte und das mit seinem gläsernen Flagiolettieren so gar nicht zu der Musik Donizettis passt. In operalounge.de haben wir oft über die problematische Notenlage und die Entstehung dieser Oper berichtet. Nicht zuletzt Alex Weatherson von der englischen Donizetti Gesellschaft hat über das „Blutige Beil des Grafen Alba“ geschrieben und auf die unüberwindlichen Schwierigkeiten hingewiesen, weite Teile des 3. Aktes und namentlich den 4. Akt des Duc d´Albe zu rekonstruieren. Opera Rara hat nun eine neue Einspielung vorgelegt, bei der nur das wirklich Vorhandene aufgenommen wurde (wie Roger Parker in seinem nur-englischen Artikel begründet). Warum nun bei OR so ein Torso eingespielt wurde, den es ja – umfangreicher – als CD-Aufnahme mit Ergänzungen bei Dynamic gibt, und zudem erst vor kurzem aufgenommen, weiß der Himmel.
Ach was ist dies für ein tolles Werk. Dicht und konzise, Verwertungsstelle anderer Donizetti-Opern (namentlich die berühmte Tenorarie „Ange si pur!“), schmissig in den Soli und Ensembles („Libertée chérie“), machtvoll mit Chören ausgestattet, dicht an den Martyrs und – so will mir scheinen – noch spannender als diese. Hinweisend auf Kommendes: Was für ein Jammer, dass der Duc d´Albe nicht fertig gestellt wurde. Niemand kann mir vorwerfen, kein Fan von Operara Rara zu sein, die wir mit operalounge.de stets gestützt haben. Aber die „lässlichen“ Aufnahmen mehren sich (vd. La Colombe oder Le Portrait de Manon), und mir scheint dies nun rausgeworfenes Geld zu sein, zumal die neue Besetzung bis auf Spyres eher „nur“ ordentlich/funktional ist. Angela Meade (als Hélène) ist nicht wirklich eine geborene Donizetti-Diva… Ihre Stimme fällt in die Kategorie „amerikanische Soprane“ der Cheryl-Studer-Sorte: sehr obertonreich, waberig an den Rändern, künstlich dunkel gesungen, um die Dramatik zu erreichen. Und sie beginnt sich in die Noten hineinzuschleifen, was der Figur nicht hilft und der unruhig werdenden, etwas amorphen Stimme auch nicht. David Stout braucht ein wenig Zeit zum Aufwärmen und gibt dann einen soliden, theatralisch-stimmlich nicht sonderlich markanten Sandoval (der Procida der späteren Verdi-Fassung). Und auch Laurent Naouri will mir leichtgewichtig, nicht mit genügend Authorität als Titelsänger scheinen. Sicher, er ist Franzose, und das hört man mit Diktion-Gewinn, aber er lässt Tiefe und Sonores vermissen und bleibt im Ganzen zu wenig prägnant, zu wenig zerrissen in seiner Vaterrolle und zu wenig gebieterisch als Besatzungschef. Die beiden Getreuen Carlos und Daniel sind mit Trystan Griffith und Giancarlo Burato unauffällig besetzt. Dazu kommen Robin Tritschler und Dawid Kimberg. Nein, es ist Michael Spyres, der hier wie in den kürzlich erschienenen Martyrs die Ehre Donizettis hochhält, der grandios das Heroische mit dem Lyrischen verbindet und der ein exemplarisches Französisch singt (er neigt zum Plärren in den offenen Vokalen). Immer wenn er drann ist (wie in seinen Soloauftritten oder Duetten/Ensembles – so in A1/Sz. 7 „Je suis libre“) geht die Post ab, wird´s megaspannend, wippt der Fuß. Er ist der Felsen, auf dem die Aufnahme steht und bei dem die Musik zu ihrem schmissigen Leben erwacht. Mark Elder am Pult des renommierten Hallé-Orchesters macht einen eher anständigen Job, funktional und mir zu wenig flexibel, bodenblastig und eher verdi-nah – das betrifft auch den leistungsstarken Chor. Der stützt unter Stephen Harris erfreulich die vorhandenen zwei Akte lang. Aber man würde nicht meckern, hätte man mehr vor sich. So ist eben nach dem 2. Schluss.
An ordentlichen italienischen Live-Aufnahmen ist nicht wirklich Mangel. Mal abgesehen von der ersten mit der Mancini von der RAI 1953 (ehemals Melodram), der verschiedenen unter Eve Queler u. a. sowie der abenteuerlichen Schippers-Version (der Akt 3 und 4 zusammen legt) bietet sich als Stereoaufnahme die aus Montpellier 2007 bei Accord an, ordentlich gesungen und im Ganzen befriedigend. Warum nahm man also nicht das Original-Hinterlassene auf und ergänzte das Fehlende mit der von Matteo Salvi erstellten Version, aber mit dem französischen Libretto? Dann hätte man die ganze Oper. Nicht eben ganz original – aber wer möchte bitte schön sein Geld für nur 2 Akte einer seltenen 4-Akte-Oper ausgeben, die es so bereits mehr oder weniger – passabel – gibt? Nur die Fans von Michael Spyres? Wie auch immer: nun ist die neue Aufnahme auch in Deutschland (Note 1) auf dem Markt. Nachstehend der Pressetext von Opera Rara. Zum Werk und seiner problematischen Genesis empfielt sich der erwähnte Artikel von Alexander Weatherson bei uns. G. H.
(The Hallé Orchestra, Mark Elder, conductor; Angela Meade; Michael Spyres; Laurent Naouri; Gianluca Buratto; David Stout; Trystan Llŷr Griffiths; Robin Tritschler; Dawid Kimberg; Stephen Harris, Chorus Master; Opera Rara Chorus; ORC54)