Syrakus zum Dritten

 

Der am 3. Dezember 1820 auf dem Höhepunkt seines Schaffens als vorletzte seiner neapoliantischen Opern am Teatro San Carlo uraufgeführte Maometto Secondo gehört zu Rossinis ambitioniertesten Werken. Später glättete er für Aufführungen in Venedig bzw. Paris einige der avanciertesten Passagen. So enthält die Fassung, die zwei Jahre später in Venedig zur Aufführung kam, eine umfangreiche, zehnminütige Ouvertüre und ein lieto finale. Interessanterweise gelangte im gleichen Jahr, als Rossinis vor dem Hintergrund des Kriegs zwischen Türken und Venezianern spielende Liebesgeschichte uraufgeführt wurde, am San Carlo mit Spontinis Fernando Cortez eine ähnlich unmögliche Liebe zwischen dem europäischen Eroberer und der aztekischen Prinzessin Amazily auf die Bühne. Isabella Colbran sang die Amazily und später auch Anna, die Tochter des Statthalters in der venezianischen Kolonie in Griechenland, die sich in den ihr unbekannten türkischen Sultan Mohammed verliebt.

Naxos gestattet sich und seinen Hörern den Luxus, alle drei Maometto-Opern Rossinis in Aufführungen von Rossini in Wildbad zu erleben: Aus dem Jahr 2002 stammt die revidierte Fassung des Maometto II. für Venedig 1822 (mit Denis Sedov, Anna-Rita Gemmabella und Luisa Islam-Ali-Zade. 8.660149-51), 2010 spielte man in Bad Wildbad die ins Korinth des Jahres 1820 verlegte französische Umarbeitung Le siège de Corinthe (mit Lorenzo Regazzo, Majella Cullagh und Michael Spyres, 8.660329-30) und nun erschien Maometto II. in der Urfassung von 1820 (8.660444-46). Es handelt sich um einen Mitschnitt der drei Aufführungen aus dem Juli des Vorjahres. Gespielt wird, wie in der Aufführung von der Garsington Opera (AV 2312), die kritische Edition von Hans Schellevis. Ein Dokument. Mit allem Bühnen-Gelaufe und -Gerenne, inklusive Applaus und einiger Unzulänglichkeiten, klanglichen und instrumentalen Unausgewogenheiten, doch das fällt bei der Leidenschaft, mit der sich unter Antonino Foglianis energischer und herrlich befeuernder Leitung alle – die Virtuosi Brunenses und der Camerata Bach-Chor aus Ponznan – in den Freiheitskampf stürzen, nicht weiter ins Gewicht. Ohne Einleitung oder Sinfonia stürzt sich auch Rossini in das Geschehen aus der Mitte des 15. Jahrhunderts und entfacht dichte und ausladende Szenen und eine gewaltige musikalische Architektur, die von Innen zu glühen scheinen. Elisa Balbo, die im Wildbader Kurhaus zwar kompetent, doch nicht erfüllt klang, wirkt als Anna auf den CDs dunkler, gewichtiger, sehr achtsam in den kleinen Noten und mit hart energischer Strahlkraft. Mert Süngüs Tenor ist anfangs nicht sehr klangvoll, denn er ist weniger Anwalt gestalteter Rezitative, die flach ausfallen, als arioser Enflammiertheit, wo er, wie im ausgedehnten Terzettone seine Muskeln spielen lassen kann und seinem strahlenden Tenor auch empfindsame Zwischentöne verleiht. Victoria Yarovaya gibt mit hell schlanken Mezzoklang einen patenten General Calbo, fundiert in der Tiefe, strahlend in der Höhe. Der am Konservatorium in Pesaro ausgebildete Mirco Palazzi singt die Titelrolle mit profundem Bassbariton, mit der federnden Geläufigkeit, wie sie die rassigen Läufe seiner Auftrittsarie verlangen, und im Duett mit Anna im Mittelakt auch mit sanfter Verführungskunst, die Anna Faszination verständlich macht. Auffallend in den beiden kleinen Partien des Selimo und Condulmiero Patrick Kabongo Mubenga (Naxos 3 CD 8.660149-51) Rolf Fath