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Wieder einmal hat das Label Château de Versailles sein angestammtes (französisches) Repertoire verlassen und sich einem italienischen Komponisten gewidmet. Gegenstand ist die Opera seria L´Olimpiade von Domenico Cimarosa. Kein Geringerer als der Barockspezialist Christophe Rousset steht an der Spitze seines Orchesters Les Talens Lyriques. Das Ergebnis ist nicht weniger als sensationell zu nennen. Der Klang evoziert rasante Sprints und mirakulöse Sprünge bei der Olympiade, wie man es zuletzt in Paris erlebt hatte. Schon die Sinfonia fegt wie ein Sturmwind vorüber und bis zum Schluss erlebt man spannungsreiches, farbiges Musizieren von eminentem Drive und überschäumender Verve.
Metastasios verworrenes, mehr als fünfzigmal vertontes Libretto erzählt vom Brauch der antiken Olympiade, nach dem der Sieger der Wettkämpfe die Tochter des amtierenden Herrschers heiraten darf. Hier ist es der Athener Megacle, der Aristea, Tochter des Clistene, König von Sikyon, liebt. Megacles Freund Licida liebt die Kreterin Argene, verliebt sich jedoch gleichfalls in den Siegerpreis Aristea. Nach vielen Verwirrungen wird am Ende mit einem Chor des Volkes das lieto fine gefeiert.
Die Besetzung ist exzeptionell und weist keine Schwachstellen auf. Vielleicht ist die Sopranistin Rocío Pérez an die Spitze zu setzen, die die halsbrecherische Partie der Aristea mit Bravour meistert. Bereits der Auftritt „Tu di saper procura“ erfordert geradezu artistische Koloraturläufe und ausgedehnte Töne in höchsten Regionen. Auch die in „Mi sento, oh Dio!“ geforderte Bravour ist enorm. Die Sängerin lässt hier die staccati in extremer Tessitura glitzern. Ihre Landsfrau Maite Beaumont ist dagegen eine gestandene Größe im barocken und Belcanto-Repertoire. Mit der Interpretation des Megacle beweist sie ihren noch immer unangefochtenen Ausnahmerang. Sogleich ihr Entree, „Superbo di me stesso“, lässt in seinem vehementen Zugriff aufmerken. Mit nobler Kultur wartet sie am Ende der Oper in der Arie „Nel lascarti“ auf. Im kantablen Duett mit Aristea „Ne´ giorni tuoi felici“ harmonieren die Stimmen beider Sängerinnen perfekt. Auch die Schweizer Sopranistin Marie Lys hat bereits einen Namen in der Opernwelt, ihre Argene nimmt schon in ihrer getragenen Eingangskavatine „O care selve“ mit delikaten Tönen und feiner Linie für sich ein. In der erregten Arie des 2. Aktes „Spiegar non posso“ zeichnet sie mit vehementer Tongebung plastisch eine dramatische Situation. Die französische Mezzosopranistin Mathilde Ortscheidt gibt dem Licida prägnante Kontur, berührt in ihrer Eingangskavatine „Mentre dorrmi“ mit innig warmer Tongebung. In der Arie des 2. Aktes „Torbida il ciel“ wird dagegen flexible Stimmführung gefordert, womit die Interpretin keine Probleme hat.
Zwei Tenöre komplettieren die Besetzung – der Kanadier Josh Lovell als König Clistene und der Brite Alex Banfield als Licidas Erzieher Aminta. Ihm fällt mit „Siam navi all´onde algenti“ die erste Arie des Werkes zu, die er in ihrem stürmischen Duktus mit entschlossener Attacke angeht und damit für einen gelungenen vokalen Auftakt sorgt. Auch „In un cor“ zu Beginn des 2. Aktes gelingt ihm vorzüglich. Ersterer führt sich mit der energischen Arie „Del destin non vi lagnate“ ein, die er nachdrücklich vorträgt. Mit sublimen lyrischen Valeurs wartet er bei „Non so donde viene“ im 2. Akt auf. In der Scène dernière vereinen sich alle sechs Interpreten zu einem stürmischen Abgesang und demonstrieren noch einmal den hohen Rang dieser Aufnahme, die im Dezember 2023 in Paris entstand und auf zwei CDs veröffentlicht wurde (CVS143). Bernd Hoppe