Solide

 

Das Festival Rossini in Wildbad nimmt sich verdienstvollerweise auch der Nebenwerke des Komponisten an, die dank der Initiative von Naxos zumeist den Weg auf Tonträger finden. So wurde im Juli 2015 eine Aufführungsserie von Bianca e Falliero mitgeschnitten und nun auf drei CDs herausgebracht (8.660407-09). Das zweiaktige Melodramma komponierte Rossini nach seiner Donna del lago in der zweiten Dekade des 19. Jahrhunderts; 1819 wurde es in Mailand uraufgeführt. Schauplatz der Handlung ist Venedig, wo Bianca nach dem Willen ihres Vaters Contareno, der dem Rat der Drei angehört, mit ihrem Verehrer Capellio vermählt werden soll, jedoch den venezianischen Feldherren Falliero liebt. Dieser Konflikt führt zu den üblichen dramatischen Situationen, endet jedoch glücklich mit der Heirat des jungen Paares.

Bis auf die Wiederverwendung von Elenas Schlussrondo aus der Donna nutzte Rossini kaum Themen aus früheren Werken, auffällig sind der Einsatz von Quartetten, großen Ensembles und Chören sowie zwei ausgedehnten Finali. Ein weiterer ungewöhnlicher Fakt ist, dass keiner der Nebenrollen eine eigene Arie zugeordnet ist. Mit energischen Akkorden beginnt die Sinfonia, gefolgt von einem munteren Vivace-Thema mit stürmischem accelerando, wo sich die Virtuosi Brunensis unter Antonio Fogliano als pulsierendes Ensemble von großer Spielfreude erweisen. Die Finali weiß der Dirigent mit Atem beraubendem Tempo rasant zu steigern, der Camerata Bach Choir Poznan (Einstudierung: Ania Michalek) in den Eingangschören zum 1. und 3. Akt mit kraftvollem Gesang zu überzeugen.

Das erste Solo fällt Falliero, eine der typischen Hosenrollen des Komponisten,  mit der Kavatine „Se per l’Adria il ferro strinsi“ zu. Die Mezzosopranistin Victoria Yarovaya, seit 2009 mit Pesaro-Erfahrungen, singt sie mit Nachdruck und einer bis in die Höhe gerundeten und flexiblen Stimme. Bei ihrer Kavatine im 3. Akt („Alma, ben mio“) gefällt sie mit weicher, inniger Tongebung, bei der nachfolgenden erregten Arie „Tu non sai“ mit dramatischem Impetus. Die weibliche Titelheldin beginnt mit ihrer Kavatine „Della rosa il bel vermiglio“, welche die Italienerin Cinzia Forte mit lyrischem Sopran von etwas larmoyantem Tonfall wiedergibt. Mit Falliero hat sie gegen Ende des 1. Aktes das erste Duett („Sappi che un dio crudele“), in dem sich beide Stimmen harmonisch mischen und das reiche Zierwerk überlegen bewältigen. Im 1. Finale weiß die Interpretin mit substanzreicher Lyrik zu überzeugen. Auch im 2. Akt hat das Titelpaar ein Duett („Va crudel“), das zunächst die Sopranistin dominiert und das dann in einen innigen Zwiegesang mündet. Schließlich bestimmt Bianca das Finale II mit ihrer Arie „Teci io resto“, die dem Rondo der Elena aus der Donna folgt und der Sopranistin gebührend Gelegenheit gibt für einen bravourösen Auftritt. Als ihr Vater Contareno ist mit Kenneth Tarver ein Rossini-Veteran im Einsatz. In seiner Arie „Pensa che omai resistere“ beweist er noch immer intaktes Material und souveräne Technik sowie eine sichere Bewältigung der Tessitura. Die tiefen Töne steuert der Bassist Baurzhan Anderzhanov als Senator Capellio bei, der im Duett mit Bianca im 2. und im Quartett des 3. Aktes für das grundierende Fundament sorgt. Bernd Hoppe