Seltenes von Rameau

 

Erstaunlich und verdienstvoll ist die rege Aufnahmetätigkeit von ERATO, seien es Recitals, Oratorien oder Opern. Jetzt legt die französische Firma eine veritable Barockrarität vor – die Pastorale héroïque Achante et Céphise ou La Sympathie von Jean-Philippe Rameau. Die Aufnahme entstand im Dezember 2020 in Paris und liegt nun in einer gediegenen Ausgabe auf zwei CDs vor (0190296694946).

Das Werk auf ein Livret von Jean-François Marmontel kam am 18. November 1751 anlässlich der Geburt des Herzogs von Burgund am 13. September zur Premiere. Rameau hatte also nur zwei Monate Zeit für die Komposition seiner Oper. Dennoch zählt diese zu den originellsten Schöpfungen in seinem Werkkanon. Ein besonders kühner Wurf ist die Ouverture, die den Prolog ersetzt, der sonst eine französische Barockoper einleitet. Sie gehört zum Typus der Programmmusik, beinhaltet die „Wünsche der Nation“ anlässlich der Geburt des Prinzen. Kanonenschüsse, Fanfaren, Rathausglocken und imitiertes Feuerwerk sorgen für eine äußerst lebhafte Atmosphäre und ungemein farbige Klänge, bei denen auch Disharmonien nicht ausgespart sind. In den zahlreichen Balletten – Air gracieux, Première et deuxième Gavotte, Loure, Premier et deuxième Tambourin, Musette, Premier, deuxième et troisième Regaudon – bezaubert das Ensemble Les Ambassadeurs – La Grande Écurie unter Alexis Kossenko mit graziösem oder begeistert mit turbulentem Spiel.

Die dreiaktige Handlung erzählt von der Liebe des Titelpaares, die durch den Genius der Luft, Oroès, vereitelt wird, der seinerseits Céphise begehrt. Die Fee Zirphile gibt den Liebenden ein Armband als Talismann, das beide durch Sympathie verbindet (daher der Untertitel der Oper). Oroès lässt sie von den Nordwinden in eine öde Wüste entführen und erscheint ihnen als von bösen Geistern umgebener Drachen. Zirphile aber kann sie befreien und in einen glänzenden Palast bringen. Die Geburt eines Helden – eine Anspielung auf das historische Ereignis mit dem Herzog von Burgund – krönt das Fest.

Eine illustre Besetzung wird angeführt von Sabine Devieilhe in der weiblichen Titelrolle. Die französische Sopranistin erscheint in jüngster Zeit regelmäßig in den ERATO-Studios und adelt auch diese Aufnahme durch ihre exquisite Stimme und die stilistische Kompetenz.

Neben ihr nimmt der Tenor Cyrille Dubois die männliche Titelrolle wahr – auch er ein Sänger, der in den Besetzungslisten von ERATO-Produktionen immer wieder auftaucht. Seine Stimme ist von weicher Resonanz und verblendet sich ideal mit der seiner Partnerin. Beide Titelrollensänger sind am Ende des 3. Aktes mit je einer Ariette solistisch zu hören – er mit dem schwärmerischen „Aigle naissant“, sie mit dem jubelnden „Lance tes feux“.

Der Bariton David Witczak gibt Le Génie Oroès mit virilem Nachdruck. Am Ende des 2. Aktes vereinen die drei Protagonisten ihre Stimmen in dem Trio „Aquilons volez à ma voix“. Die Sopranistin Judith van Wanroij als Zirphile lässt in ihrem Auftritt, dem Rondeau „Tendres amants“, eine typisch französische Stimme von strengem Klang hören.

In den Nebenrollen stört der Tenor Artavazd Sargsyan als Premier Coryphée und Un Berger mit bohrendem Stimmklang, während der Bassbariton Arnaud Richard als Second Coryphée angenehm tönt. Les Chantres du Centre de musique baroque de Versailles (Leitung: Olivier Schneebeli) imponieren vor allem in den majestätischen Lobpreisungen, so „Triomphe! Victoire!“ im 3. Akt oder „Vive la race de nos rois“ im Finale. Bernd Hoppe