Schwelgerische Unverbindlichkeit

 

Wenigen Opern des frühen 20. Jahrhunderts ist es gelungen, ins Repertoire zurückzukehren, wenn sie nicht sofort zündeten. Doch ein Werk scheint gerade vom Geheimtipp zum dauerhaften Überraschungserfolg zu mausern: Erich Wolfgang Korngolds Wunder der Heliane. Erst vor wenigen Monaten hier in Berlin an der Deutschen Oper eine kleine Sensation, ist die Oper nun auch bei Naxos auf CD erschienen in einer Einspielung aus Freiburg.

Vielleicht ist  es die schwelgerische Unverbindlichkeit, die in ihrem extatischen Symbolismus an Straussens Frau ohne Schatten erinnert, Schuld am neuerlichen Erfolg – der Text ist absolut zahnlos und leicht verrückt – aber vielleicht war genau das eine gute Projektionsfläche für Korngolds über weite Strecken meditativ-opiatische Musik.

In den letzten Jahren begann ein erstaunlicher Aufstieg dieses Werks von 1927 – steigende Aufführungszahlen sind seit 2010 belegt, aber ab 2017 und 18 gab es einen regelrechten Boom – Antwerpen, Wien, Berlin und Freiburg. Die konzertante Serie in Freiburg ist jetzt mitgeschnitten worden und auf die CD gekommen – in einer durchaus soliden Einspielung.

Dies ist nicht die erste Gesamtaufnahme: Es gab bei der Decca in den Neunzigern schon eine Einspielung; damals zündete das Werk nicht besonders, vielleicht, weil auch da zwar die kleinen Rollen grandios besetzt waren, (etwa mit dem jungen René Pape und dem alten Nicolai Gedda) aber der Tenor sehr zu wünschen übrig ließ und Anna Tomowa Sintow schon bessere Tage gesehen hatte, als sie die Titelpartie einsang. Insofern war eine Neuaufnahme durchaus wünschenswert.

Unbefriedigende Sänger – glanzvolles Orchester: Auch diesmal bin ich mit den Sängern nicht glücklich –  man braucht nicht viele, genaugenommen drei, da es eine Dreiecksgeschichte ist, plus einen guten Mezzo für eine große Nebenrolle – aber die haben Aufgaben, die sich durchaus mit denen der großen Monumentalopern von Strauss und Schreker vergleichen lassen; das ist schon die Preislage von Frau ohne Schatten und  den Gezeichneten. Und da versagen die Stimmen, vor allem was die unbedingt erforderliche Schönheit und Klarheit in den Höhen angeht.

Physisch/rein akustisch sind Ian Storey als Fremder und Annemarie Kremer als Heliane durchaus in der Lage, das zu singen, aber diese seltsame Mischung aus Dekandenz und Kraft in Korngolds Stil muss man exakt und sinnlich zelebrieren. Hier klingt vieles verschwurbelt, grell in den Höhen und mulschig in der Deklamation, und das legt sich wie Mehltau auf das Werk. (Nicht dass es dem Werk schadet, wenn man den Text nicht versteht, aber ein wenig mehr Schärfe in den deutschen Konsonanten wäre der Komposition schon dienlich gewesen.)

Das ist umso bedauerlicher, da Fabrice Bollon der viel spannendere Dirigent ist als damals John Mauceri. Bollon hat es geschafft, aus Freiburg innerhalb weniger Jahre ein Zentrum für Opern der frühen Moderne zu machen, er hat mit einigen Werken Discographie-Geschichte geschrieben, sicher gibt es keine bessere (offizielle) Gesamtaufnahme der Königin von Saba von Goldmark, er führt ein großartiges Orchester in Freiburg, und fast immer ist er bisher auch von zufriedenstellenden Sängern umgeben gewesen. Diesmal nicht. Was am seidigen, irisierenden Klang der Instrumentierung nichts ändert – dank Bollon und den Freiburgern ist das Ganze dann letztendlich doch kein Fehlkauf (Erich Korngold: Das Wunder der Heliane; mit Annemarie Kremer, Aris Argigis, Ian Storey; Nuttaporn Thammathi, Frank van Hove, Opernchor des Theater Freiburg, Philharmonisches Orchester Freiburg, Fabrice Bollon; Naxos 2 CD 8.660410-12). Matthias Käther