Die Geschichte der Königin und Zauberin Armida wurde in der Historie der Oper mehrfach vertont – man denke an die Werke von Lully, Gluck, Rossini, Haydn und Dvorák. Nun erweitert APARTÉ diese Liste um ein weiteres, gänzlich unbekanntes Werk mit diesem Titel – Antonio Salieris Dramma per musica – und bringt es auf zwei CDs als Weltpremiere heraus (AP244 in eleganter Ausstattung). Die Aufnahme entstand im Juli 2020 in Paris.
Salieris Oper auf ein Libretto von Marco Coltellini wurde 1771 im Wiener Burgtheater erfolgreich uraufgeführt. In den Hauptrollen der Armida und des Kreuzritters Rinaldo wirkten die Sopranistin Catharina Schindler und der Kastrat Giuseppe Millico in der Hosenrolle mit. Beider Weggang aus Wien verhinderte dann eine Wiederaufnahme, doch fand das Werk schnell auch ein begeistertes Publikum in Kopenhagen, St. Petersburg und Hamburg.
Die Solisten der APARTÉ-Aufnahme sind hierzulande weniger bekannt. Einzig die Mezzosopranistin Teresa Iervolino in der Partie von Armidas Vertrauter Ismene ist auch in unseren Breiten ein Begriff. Pesaro und Salzburg erprobt, nimmt ihre reich timbrierte Stimme in den Arien für sich ein und erzielt auch die nötige Aufmerksamkeit in den expressiv vorgetragenen Rezitativen.
In der Titelrolle ist die Sopranistin Lenneke Ruiten zu hören – ein dunkel getönter Sopran mit starkem Nachdruck in ihren Gesangsnummern, wie in der Arie „Tremo, bell’ idol mio“ zu vernehmen ist. Auch in der von starker innerer Erregung geprägten Arie im 2. Akt, „Ah mi tolga almen la vita“, zeichnet sie den Zustand der Figur plastisch, lässt aber auch forcierte Spitzentöne hören. Mit der Arie „Io con voi la nera face“ beendet sie die Oper in Verzweiflung und rasendem Zorn. Die Sängerin riskiert hier eine stimmliche Überforderung durch die extreme Dramatik, mit der sie die Nummer angeht, was aber den Effekt nicht verfehlt.
Den Rinaldo gibt die Sopranistin Florie Valiquette mit hellerem, lieblichem Stimmklang, den man nicht unbedingt mit einer Hosenrolle assoziieren würde. Mit der stürmischen, an Koloraturen reichen Arie „Vedo l’abisso orrendo“ beendet der Kreuzritter den 2. Akt.
Beide Soprane haben ihren ersten Auftritt zu Beginn des 2. Aktes in ihrem Duett „Qui’l regno è del contento“, in welchem sie sich ihrer Liebe versichern. Die Stimmen verblenden sich in perfekter Harmonie und sind auch versiert in der Koloraturtechnik. Die Stimmen vereinen sich auch im 2. Akt zu einem Duett („Dilegua il tuotimore“), das zunächst lyrisch-empfindsam tönt und im Schlussteil an Fahrt aufnimmt. An Grenzen stoßen sie im Terzett des 3. Aktes mit Ubaldo, „Strappami il cuor dal seno“.
Der Bariton Ashley Riches komplettiert die Besetzung als Kreuzritter Ubaldo mit viriler, energischer Stimme. Die Arie am Ende des 1. Aktes, „Finta larva“, besitzt starken Nachdruck, die im 2., „Come in un momento“, auftrumpfende Vehemenz. „Torna schiavo infelice“ im 3. Akt offenbart Mühen mit der Bewältigung der Verzierungen.
Ihre Meriten empfängt die Einspielung durch die Mitwirkung des renommierten Ensembles Les Talens Lyriques unter seinem Leiter Christophe Rousset, der die Musik in ihrer Vielfalt hinreißend auffächert. Schon bei der Sinfonia erzeugt er eine enorme Spannung durch ein reiches Farbspektrum und die pulsierende Dramatik. Kontrastierende Effekte erzielt er in den Ballettmusiken, welche eine galante, graziöse Stimmung einbringen. In den zahlreichen Chorszenen, die in ihrem kantablen Melos nicht selten an Gluck erinnern, überzeugt der Choeur de chambre de Namur (Thibaut Lenaerts) mit klangvollem und expressivem Gesang. Wunderbar die Einleitung zum 3. Akt, welche Rousset mit düster-fahlen Farben ausmalt und der Chor mit ernsten Tönen das prophetische „Chi sorde vi rende“ anstimmt. Bernd Hoppe