Rossini-Spass

 

Matilde di Shabran ist ein selbstbewusstes und resolutes Burgfräulein, das recht gut in die Reihe der starken Frauenfiguren Rossinis gehört. Seine gleichnamige Oper Matilde di Shabran gleichwohl ist ein Mauerblümchen. Nicht nur des Opernrepertoires, sondern auch jener beiden Festspiele, die sich ausschließlich Rossini widmen. Spät erst, 1996, hat sich Pesaro der Matilde zugewandt, zwei Jahre später folgte Rossini in Wildbad dicht auf dem Fuß. Bereits 2004 setzte Pesaro eine zweite Inszenierung an (die 2012 wiederaufgenommen wurde) und 2017 entschloss sich Bad Wildbad ebenfalls für eine Neuproduktion. Sehr zu Recht. So dramaturgisch zerklüftet sich die Geschichte zeigt, die Jacopo Ferretti, der mit seiner Cenerentola bedeutend mehr Geschick mit Perraults Vorlage bewiesen hatte, nach einem französischen Vorbild zurechtrupfte, so musikalisch rund ist die Oper, die allenfalls durch den überlangen ersten Akt unausgewogen wirkt. Zudem gelang, wie die Naxos-Ausgabe bezeugt (3 CDs 8.660-192-94), Rossini in Wildbad im Juli 2019 eine der gelungensten Produktionen seiner Geschichte, wie auch Charles Jernigan anlässlich der Premiere auf Opera Lounge konstatierte. Man kann in Matilde di Shabran, die den Abschied Rossinis von der Ewigen Stadt markiert, in der er u.a. zwei seiner schönsten Komödien uraufgeführt hatte, bereits einen ironischen Blick auf die mittelalterliche Ritterwelt des späteren Comte Ory erkennen. Die Bezeichnung lautet Melodramma giocoso, wobei semiseria richtiger wäre, zwar sind die Stände nicht derart durchmischt wie in der Gazza ladra, doch im Zentrum steht auch hier eine Handlung um eine verfolgte Unschuld, eben die durch eine Intrige der Rivalin bedrängte Titelfigur. Der männliche Held, der Frauenhasser Corradino mit dem Beinamen Cuor di ferro (Eisenherz), ist ein Sonderling, der nicht so schlitzohrig wie Ory, aber auf dem besten Weg dorthin ist, daneben gibt es das Bass-Bariton-Trio aus Arzt Aliprando, dem Turmwächter Ginardo und dem Dichter Isidoro; die Hosenrolle des Edoardo, kein Bauernjunge wie der Pippo in der Gazza ladra, sondern ein Krieger und Sohn von Corradinos Bass-Feind Raimondo Lopez, dazu noch die Contessa d’ Arco, die ein Auge auf den Burgherrn geworfen hat und die Ankunft der Mathilde argwöhnisch beäugt. Es gibt nicht genügend Arien für so viel Personal. Die Ensembles sind der Clou des Werkes und treiben die Handlung voran, das Quartett des Corradino mit drei tiefen Männerstimmen, das Quintett Corradinos mit den beiden Damen und Aliprando und Ginardo mit der ratternden Steigerung „Dallo stupore oppresso“ im ersten Akt, ein Terzett und ein Sextett im zweiten; zwei Duette sind der Matilde zugeteilt, eines mit Aliprando, ein zweites mit Edoardo. Solonummern sind eigentlich nur im ersten und zweiten Akt eine Cavatina des Isidoro und des Raimondo sowie das typische Rondo finale der Matilde und zuvor die in ein Ensemble eingebettete Arie des Corradino „Anima mia, Matilde“, die der Italoamerikaner Michele Angelini mit sensationellem Aplomb und Sicherheit singt, dass man sich nicht nach Flórez zu sehnen braucht. Mit allen kleinen Noten, Koloraturen und Zierungen tänzelt er sicher und keineswegs martialisch als kecker Vorbote des Ory durch die Handlung. Vor allem im zweiten Akt gelingt es dem Spanier José Miguel Pérez-Sierra mit dem Passionart Orchestra aus Krakau eine Dichte und Spannung und komödiantischen Esprit zu erzeugen, die das heterogene Stück bündeln. Seine Landsmännin Sara Blanch erweist sich als funkelnde Komödiantin, deren Bühnenpräsenz auch auf der CD zu spüren ist und die mit strahlend ausgeglichener Stimme die Ensembles bestimmt, ohne sie zu sprengen. Victoria Yarovayas leuchtend flexibler und umfangreicher Alt (Edoardo), der virile Bariton des Emmanuel Franco (Aliprando), in dessen Duett mit Matilde gerne die Nähe zum Malatesta-Norina-Duett erwähnt wird, und der runde Bass des Shi Zong, der Raimondos Arie mit Hornsolo bewegend singt, gehören wie der leidenschaftliche Górecki Chamber Choir zu den Positiva der Aufnahme. Giulio Mastrototaro als Isidoro und Ricardo Seguel, der viel aus Ginardos Solo innerhalb der Introduzione macht, und mit kleinem Abstand Lamia Beuque als Contessa runden das Ensemble ab. Dem Applaus nach zu urteilen war das Publikum entzückt. Die Hörer werden es ebenso sein. Rolf Fath

Rossini geht eigentlich immer. Bei den für Mandolinen-Quintett – in teilweise historischen Arrangements von Maciocchi und Marucelli – bearbeiteten acht Ouvertüren, die das nach dem gleichnamigen Mandolinen-Virtuosen benannten Quintetto a Plettro Giuseppe Anedda 2019 aufnahm (Brillant Classics 95904), bin ich nicht so überzeugt davon.  R.F.