Wer Raina Kabaivanska kennt, wusste immer, dass mit dem Ende ihrer eigenen Karriere nicht Schluss sein würde mit der künstlerischen Arbeit, die in ihrem nun 85. Lebensjahr immer noch in der Förderung junger Sänger in Masterclasses, in der Betreuung von Aufführungen ihrer Schüler und im unermüdlichen Sammeln von Geld für ihren Fond zur finanziellen Unterstützung bedürftiger Gesangsstudenten besteht. Zwar hält sie überall in Europa Masterclasses ab, aber die Zentren ihres Wirkens sind Sofia in ihrem Heimatland Bulgarien und Modena, wo sie seit Jahrzehnten zuhause ist. In Sofia betreute sie bereits die Aufführungen von Werther, Norma und Turandot mit ihren Schülern, in Modena wurden im Teatro Pavarotti in diesem Jahr Menottis Kurzopern The Medium und The Telephone nicht nur auf die Bühne gebracht, sondern auch aufgezeichnet.
Ein für junge Sänger höchst geeignetes Stück ist natürlich das heitere The Telephone, weniger The Medium mit den Rollen der alten, in Wahnsinn verfallenden Baba und den auch schon bejahrten Eltern, die durch das Medium versuchen, Kontakt mit ihren zum Teil vor Jahrzehnten verstorbenen Kindern aufzunehmen.
Elizabeth Hertzberg ist als die telefonsüchtige Lucy unübertrefflich amüsant, kapriziös macht sie feine Unterschiede im Kontakt mit den verschiedenen Anrufern, ist mal glucksend koloratursüchtig, mal fein lyrisch und ganz sicherlich ein großes Talent. Gleiches kann man auch von ihrem Partner Lorenzo Grante als Ben sagen, der die personifizierte Geduld mit sonorem, warm klingendem Bariton ist. Die komische Verzweiflung des erst durch einen Telefonanruf bei der Angebeteten zu Wort Kommenden, macht er auf drollige Art hörbar. Dem amüsanten Dialog geht ein putzmunter-ironisches Vorspiel voraus, in dem Dirigent Flavio Emilio Scogna das Orchestra Filarmonica Italiana zu leichtfüßigem Spiel anhält.
Die einzige wirklich dankbare Rolle für eine junge Sängerin in The Medium ist die der Monica, Tochter von Madame Flora oder Baba. Als vorgetäuschte Geistererscheinung findet Marily Santoro zu ätherischen Klängen, als reale Person singt sie mit sehr schön timbriertem lyrischem Sopran, dem man gern das Attribut dolcissimo zukommen lassen möchte. Im Nachäffen der Wünsche des stummen, sie verehrenden Toby lässt sie die Stimme einen pathetisch-erotischen Ton annehmen. Die feinen Pianissimi könnte die Sängerin ihrer Mentorin abgelauscht haben. Voll, rund und dunkel klingt der Mezzosopran von Julija Samsonova-Khajet, die nur dem zunehmenden Wahnsinn der Baba vokal etwas schuldig bleibt. Chiara Isotton und Roxana Herrera Diaz sind mit frischen junge Stimmen die Trost suchenden Mütter; den spendet mit seiner Stimme Lorenzo Grante.
Mindestens ebenso groß wie das Vergnügen der Zuschauer an den beiden Aufführungen dürfte der Gewinn sein, den die jungen Sänger aus der Arbeit mit Raina Kabaivanska und der Bühnenerfahrung, die sie ihnen ermöglicht hat, gezogen haben (Brilliant Classics 95361). Ingrid Wanja