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Zwischen Sankt Veit an der Flaum, Fiume und nun Rijeka schwankt der Name der heute kroatischen Stadt, die die Ungarn Szentvit nennen und die ihre Beherrscher genau so oft wie ihren Namen wechselte. Die Römer kämpften hier bereits gegen die Illyrer, Napoleon I. schlug sie dem italienischen Reich seines Stiefsohns Eugen Beauharnais zu, der Wiener Kongress gab sie an Österreich, das es ab 1887 von den Ungarn verwalten ließ, nach 1918 und dem Zerfall des Habsburgerreichs verwalteten die Alliierten die Küste. Da die Hälfte der Einwohner und zwar die Elite aus Italienern bestand, wollte der italienische Dichter D’Annunzio der endgültigen Entscheidung der Sieger zuvorkommen und besetzte mit einer Schar Freiwilliger das Gebiet, das bis 1945 so weit italienisiert wurde, dass schließlich 80 Prozent der Bevölkerung aus Italienern bestand, die nach 1945 nach Italien flohen oder vertrieben wurden. Tausende wurden in den Foibe, Karsthöhlen oberhalb Triests, von Tito-Anhängern ermordet.
Abwechselnd österreichischen, italienischen und slawischen Einflüssen war auch der Komponist Antonio Smareglia, ein Freund Boitos, unterworfen, dessen Oper Nozze Istriane in Triest, das auch heute noch österreichische Einflüsse nicht verleugnen kann, uraufgeführt wurde. Über diese Oper gibt es in Operalounge bereits einen Artikel, der natürlich immer noch zugänglich ist. Inzwischen gibt es aber eine neue Aufzeichnung des Verismoeinflüsse, aber auch Spuren kroatischer Volksmusik verratenden Stücks, und zwar interessanterweise aus dem Theater von Rijeka.
Es geht um ein seine Liebe noch geheim haltendes Paar, dem durch eine Intrige vorgegaukelt wird, der jeweilige Partner habe Verrat geübt, die Braut soll mit einem gutgläubigen, dem Vater eher genehmen Bauernsohn verheiratet werden, der sogar zum Verzicht bereit ist, als er von den Gefühlen seiner Erwählten erfährt, aber durch den Jähzorn seines Rivalen herausgefordert, sieht er sich gezwungen, diesen zu erstechen. Das Werk beginnt mit einem dräuenden, nichts Gutes erwarten lassenden Unwetter und endet mit der Klage der Heldin um den toten Geliebten.
Die Musik verfügt über alle Qualitäten des italienischen Verismo, lässt slawische Volksmusik erahnen, und das Rijeka Symphony Orchestra unter Simon Krečič kann in der Sinfonia durchaus beachtliche Qualitäten zeigen, wird dann aber, sobald Stimmen dazu kommen, sehr zurückhaltend wie auch der Rijeka Opera Chorus, der eher wie beiläufig eingreifend erscheint, was alles wohl der mangelnden Durchsetzungskraft einiger Mitwirkender geschuldet ist. So werden die Stimmen umschmeichelt, das häufige Parlando auf akustischen Händen getragen.
Marussa, das schöne Bauernmädchen, wurde einst von einer Leyla Gencer oder der Dauer-Aida der Arena di Verona, Maria Chiara, gesungen. Daneben ist das von Anamarija Knego nur ein Soubrettenstimmchen mit beschränkten Ausdrucksmöglichkeiten, sich in der Höhe verengend, kindlich, mit einem fil di voce singend, aber immerhin geschmeidig und lieblich in lyrischen Gefilden. Überfordert erscheint der Sopran aber in seinen Zornausbrüchen, da hätte man sich eher Santuzza-Qualitäten gewünscht. Die unwissentlich ins Komplott verstrickte Luze von Stefany Findrik steuert ein sanftes Mezzosäuseln zum Drama bei. Giorgio Surian als Vater der Braut lässt erahnen, wie das Werk beim Einsatz erstklassiger Kräfte klingen könnte. Eher weinerlich als melancholisch ertönt der Tenor von Jorge Puerta, aus dem auch das gute Legato keinen stürmischen Liebhaber machen kann. Der Intrigant Biagio klingt in der Darstellung Filippo Polinellis recht schütter, der nicht genehme Bräutigam Nicola ist Jure Počkaj anvertraut und erfreut durch gute Diktion und Phrasierung, verfügt über einen weich und geschmeidig klingenden Bariton. (cpo 555 686-2). Ingrid Wanja
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.PS.: Aber es gibt ja noch weitere und überzeugendere Aufnahmen der Oper. Vor allem bei Bongiovanni der auch klanglich mehr als anständige Mitschnitt aus Triest von 1972 mit der leuchtenden Maria Chira und dem bekannten Tenor Ruggero Biondino, dazu Alessandro Cassis und weitere unter der straffen Leitung von Manno Wolf-Ferrari (immerhin) ist ein gültiges Dokumnent des Werke. Auch die spätere Aufnahme, ebenfalls aus Triest bei Bongiovanni von 1999, mit der sich verzehrenden Svetla Vassileva, dazu Ian Storey unter Tiziano Severini, tut der Oper einen rauschenden Gefallen.
Dazu kommen zwei Radioaufnahmen mit eindrucksvollen Besetzungen: Bei der Rai gab es Renata Mattioli, Guido Mazzini Und Luigi Rumbo unter Pietro Argento in Mailand 1961 sowie 2023 in Castell´Arquato eine weitere Aufführung unter Jacopo Brusca mit Sarah Tisba, Graziano Dallavalle und Filippo Polinelli (wie auf der cpo-Einspielung hier auch blass) in den Hauptrollen, ebenfalls als Mitschnitt.
Zudem gibt es bei uns einen langen Artikel zum Werk als Vergessene Oper. Ebenfalls in dieser Reihe findet sich zu Smareglia ein Artikel zu seinem Vasallo di Szigeth. G. H.