Nicht überflüssig

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Mindestens zwei Gründe gibt es, die Ankunft einer weiteren Tosca auf dem eigentlich übersättigten Markt willkommen zu heißen. Der erste ist das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Carlo Montanaro, der zweite die Sängerin der Titelpartie, Melody Moore. Mit harten Scarpia-Akzenten, drängend, zügig und feine Details ausmalend beginnt das Orchester , um später viele intime Momente zu Wort kommen , die bedrückende Stimmung der meisten Szenen sich dem Hörer mitteilen zu lassen. Eine Atmosphäre des Lauernden, des Bedrückten liegt über vielen Szenen, so der des Salva condotto, und das Vorspiel zum dritten Akt ist bei aller auch hörbaren Poesie ein einziges banges Warten.

Wahrlich kein Star, zumindest nicht in Europa, ist die Sopranistin Melody Moore, die immerhin bereits auf drei Puccini-Einspielungen stolz sein kann mit Butterfly, Mimi und Giorgetta. Für Tosca steht ihr ein breiter Farbfächer einer weich und erotisch klingenden Stimme zur Verfügung, die Mittellage (sie singt auch Amneris) ist hochpräsent, Verletzbarkeit wie auffahrender Stolz werden gleich eindrucksvoll vermittelt, fein hingetupfte Töne wechseln sich mit stolz auffahrenden ab, und für „è l‘ Attavanti“ hat der Sopran einen bewegenden schmerzlichen Klang. Einzig die manchmal zu verwaschene Diktion stört den Gesamteindruck ein wenig, und stellenweise ist die Höhe nicht so präsent, wie sie es sein sollte. Voller Melancholie wird „Vissi d’arte“ gesungen, ein banges Zittern ist im „Ti straziano ancora“, und insgesamt vermittelt der Sopran den Eindruck einer wissenden Stimme, die sich aus dem Geist der Musik heraus vernehmen lässt.

Mit virilem, metallisch klingendem Tenor ist Stefan Pop ein Cavaradossi, bei dem weniger der sensible Künstler als der aufbegehrende Revolutionär zum Ausdruck kommt, sein Squillo ist beachtlich, seine größten Pluspunkte kann er mit „la vita mi costasse“ und dem „Vittoria“ erringen, aber auch im „Recondita armonia“ gefällt das diminuendo am Schluss, während „E lucevan le stelle“ mit schöner Klarinettenvorbereitung mehr Agogik vertragen hätte. Insgesamt geht es dem Tenor eher um die Ausstellung einer potenten Stimme als um feinsinnige Interpretation.

Zwischen bärbeißig und süffig bewegt sich der Bariton von Lester Lynch, der damit dem Scarpia und dessen Zwielichtigkeit gerecht wird. Im zweiten Akt könnte man sich noch mehr Facetten in der Gestaltung der Figur vorstellen, allerdings werden der Triumph im „nel pozzo del giardino“, das Schmeichelnde im „è vino di Spagna“, das tückisch Zärtliche in  „grazia ad un cadavere“ schön herausgearbeitet.

Kevin Short ist ein sonorer Angelotti, und auch alle anderen rollendeckend, und der Rundfunkchor Berlin und der Kinderchor der Deutschen Oper Berlin tragen das Ihre zum Gelingen von Konzert und Aufnahme bei (Pentatone PTC 5187 055). Ingrid Wanja