In Zeiten mangelnder Studio-Gesamtaufnahmen ist es besonders verdienstvoll, wenn Opernhäuser für Live-Mitschnitte sorgen, wie es die Frankfurter Oper in vorbildlicher Weise tut, für den Ring sogar mit DVDs und CDs. Aus dem Jahre 2013 stammt die jetzt bei Oehms Classics (OC 945) erschienene La fanciulla del West, die zugleich eine Art Ehrenrettung für die gerade mit Puccinis Manon Lescaut in Baden-Baden nicht besonders glücklich abgeschnitten habende Eva-Maria Westbroek ist, die hier beweisen kann, dass sie durchaus auch diesen Komponisten zu singen vermag, wenn auch eine weitaus dramatischere Partie. Ihre Minnie beginnt mit recht dunklem Timbre, obwohl man sich über den vielen tiefen Männerstimmen trotz aller vokalen Autorität etwas mehr Sopranglanz wünscht, der jedoch lässt nicht lange auf sich warten, wenn die Stimme zugleich mit dem Erscheinen von Dick Johnson merkbar an dolcezza zulegt und schöne, zärtliche Töne produziert. Nun rundet sich der Sopran auch in der Höhe, wird facettenreich eingesetzt und besticht zudem durch die gute Diktion der Sängerin. Zum Schluss des ersten Akts gibt es viel Höhenglanz zu bewundern, der auch den zweiten Akt überstrahlt. Nur selten, so in „voglio vestirmi tutta….“, gibt es leichte Schärfen, die die Gesamtleistung kaum beeinträchtigen. Das akustische Zusammenspiel mit den Partnern ist ein ausgesprochen glückliches, zwischen dem Sopran und dem Tenor knistert es, und beim Pokerspiel sind sogar die Pausen mit großer Spannung erfüllt.
Ein angemessener Partner ist der Sängerin Carlo Ventre als Dick Johnson mit virilem Timbre baritonaler Grundierung, das sich trotzdem von dem des sehr dunklen Baritons klar abhebt. Die Mittellage erweist sich als sehr präsent, die Höhe ist sicher, die Schulung der Stimme, das beweisen Legato und Phrasierung, durch und durch italienisch. Die Walzermelodie entlockt der Stimme Schmelz, zärtlich klingt „non piangete“. Eine schöne Melancholie erfreut den Hörer ebenso wie die Kontrolle der Stimme auch bei den dramatischsten Ausbrüchen. Sehr eindringlich gelingt das Rezitativ vor „Ch’ella mi creda“, während die Arie nicht spektakulär, aber sehr anständig gesungen wird. Jack Rance ist Ashley Holland mit eindrucksvoller Brunnenvergifterstimme, die leider nicht durchgehend optimal zu sitzen scheint, sondern manchmal wie erstickt klingt. Das Timbre entfaltet sich erst bei einem gewissen Druck auf den Bariton und gewinnt dann eine beachtliche vokale Autorität. Einen effektvollen Finsterling Ashby singt Alfred Reiter, seinem Namen Ehre macht Simon Bailey als Sonora, während Peter Marsh für den treuen Nick einen präsenten Charaktertenor hat. Seltsam herb beginnt Elisabeth Hornung als Wowkle, findet aber schnell zu echten Altqualitäten. Sehr eindrucksvoll ist der Chor sowohl als Ansammlung akustischer Individuen wie in der gemeinsamen Klage um den Verlust der geliebten Minnie. Sebastian Weigle betont zu Beginn besonders das Schwerblütige, setzt wirkungsvoll auf Kontraste im Auf und Ab der Stimmungen und reagiert sehr exakt auf die Sänger. Sehr schön herausgearbeitet sind die Variationen, die die Walzermelodie im Verlauf des Werks erfährt.
Ingrid Wanja