Mit Leoncavallo stritt sich Puccini um die Vertonung von Murgers La Bohème, mit Mascagni um Lodoletta, die im Roman der Britin Ouida noch Bebée heißt, der seinerseits den Titel Two little Wooden Shoes trägt. Die Pariser Künstlergeschichte wurde von beiden Komponisten vertont, wie man weiß mit unterschiedlichem Erfolg. Vor Gericht Sieger blieb im Fall Lodoletta Puccini, der aber schnell das Interesse am Stoff verlor, während Mascagni 1917 einen schönen Erfolg mit seiner Oper erringen konnte, die auch für einige Zeit ein beliebtes Repertoirestück blieb und deren beide Hauptrollen, die eines Soprans und die eines Tenors, von vielen bekannten Sängern verkörpert wurden, YouTube legt davon ein beeindruckendes Zeugnis ab.
Nicht nur der Name der Heldin änderte sich im Libretto von Giovacchino Forzano, sondern auch ihr Schicksal: Sucht sie im Roman noch den Tod in einem nahe gelegenen Gewässer, verführt vom gewissenlosen Maler Flammen und geächtet von der Dorfgesellschaft, so flieht in der Oper der Pariser ihre Gesellschaft, als er bemerkt, dass ihm Lodoletta nicht nur Modell, sondern auch immer mehr erwünschte Geliebte geworden ist, sie folgt ihm und erfriert im tiefen Winter vor den erleuchteten Fenstern seines Pariser Domizils, er kann sich nur noch weinend über ihren bereits vom Schnee bedeckten Leichnam werfen, nachdem er zunächst nur die beiden Holzschuhe entdeckt hat. Ein zunächst in Erwägung gezogener Schluss, in dem zwar auch gestorben, vorher aber noch ein musikreiches Wiedersehen und gegenseitiges Verzeihen gefeiert wird, wurde schließlich verworfen. Dafür haben aber beide Protagonisten noch sehr eindrucksvolle, wenn auch nicht sie im Duett vereinende Musik. Lodolettas „Flammen, perdonami“ wird bis heute von den Sopranen heiß geliebt.
Das Cover der von Bongiovanni betreuten Doppel-CD aus dem Jahre 1994 zeigt die Due Zoccoletti, die der darüber versterbende Vater Antonio seiner Tochter zum Geburtstag verehren wollte, die Aufnahme entstand natürlich wie fast alle vergessener Mascagni-Opern in seiner Heimatstadt Livorno und hat leider nicht die Besetzung, die eine Renaissance hätte begünstigend können. Die Titelpartie ist in ihren Ansprüchen vergleichbar mit denen an eine Butterfly oder Iris, zarte Kindfrauen mit einem leidenschaftlichen Charakter und einer großen Seele. Die Lodoletta von Giovanna De Liso klingt im besten Fall spritzig, im weniger guten eher spitzig, sie hat viel Stilgefühl, aber nur ein begrenztes Ausdrucksspektrum, das Naive gelingt ihr gut, aber wenn die Stimme aufblühen müsste, verengt sie sich, hat einfach nicht die Kraft, die die Figur auch braucht. „Bimba, non piangere“ singt der Flammen von Orfeo Zanetti, der auch mit den 5 Tenören unterwegs war, und erinnert an einen Herrn Pinkerton, und auch dem stünde eine trockene, eng geführte Tenorstimme nicht gut an, die sich dem Aufblühen, so am Ende des 1. Akts versagt, gequält und selten angenehm klingt. Besser steht es um die tiefen Stimmen, den frisch klingenden Franz von Ettore Cesci, den sanften Trostspender Giannotto, den Giuseppe Altomare singt, oder den allerdings recht dumpfen Bass von Franco Boscolo, der Lodolettas Vater Antonio ist.
Sehr berührend ist der kurze Auftritt der Pazza von Fulvia Bertoli, die erste dunkle Akzente in das Geschehen einführt. Die drei Akte haben jeweils ein Ort und Jahreszeit charakterisierendes Vorspiel, in dem das Orchestra Camerata Strumentale unter Massimo De Bernart zeigen kann, dass es durchaus die notwendigen Meriten hat, im Vergessen Versunkenes wieder ins Bewusstsein des Publikums zu befördern. Das gilt auch für den Coro Cooperativa Artisti Associati unter Stefano Visconti (Bongiovanni 2 CD GB 2587/88 2). Ingrid Wanja