Jahrhundertfrage

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Wieder überrascht das Label Château de VERSAILLES mit einer barocken Rarität: André Campras Opéra-Ballet Le Destin du Nouveau Siècle, uraufgeführt 1700 im Collège Louis-le-Grand, einer bedeutenden Jesuitenschule von Paris. Das Stück in einem Prolog und drei Erzählungen (récits) behandelt die Kardinalfrage Frieden oder Krieg. Die Befürworter des ersten wollen Kunst, Kultur und auch Komfort, die des zweiten Ruhm und Prestige.

Im Prologue bereitet sich Gott Saturne darauf vor, der Welt ein neues Jahrhundert zu schenken. Das Volk ist gespalten in zwei Parteien – die eine bittet um Krieg, die andere um Frieden. Zur ersten gehören Mars, La Gloire (der Ruhm), Vulcain und Bellonne. Der Erdgeist (Le Génie de la Terre) lädt den Frieden (La Paix) ein, vom Himmel herabzusteigen. Vergnügen, Spiel und Überfluss begleiten ihn. Mehrere Völker preisen die Vorteile des Friedens. Saturne rät den uneinigen Völkern, sich an die Göttin der Weisheit Pallas zu wenden. Diese befiehlt dem Himmelreich, ein Jahrhundert zu bilden, in dem sich Frieden und Krieg abwechseln. Die Völker danken der weisen Göttin. Ihre Lösung mögen wir heute als fragwürdig empfinden, doch entsprang sie wohl der Einsicht, dass der Mensch in seinem Wesen wahrscheinlich nie zur Vernunft kommen wird.

Die Einspielung stammt vom Januar 2021 aus der Opéra Royal du Château de Versailles und wurde auf einer CD veröffentlicht (CVS061). Das Ensemble La Tempesta musiziert unter Leitung von Patrick Bismuth. 2017 hatte es die seit 1706 verschollene und erst 2015 aufgefundene Komposition in moderner Zeit wiederbelebt. Diese besteht zur Hälfte aus Tänzen, Gigue, Rigaudon, Musette, Menuet, Chaconne, womit die Musik Rameaus Gipfelwerke des Genres vorwegnimmt. Der Dirigent ist selbst Komponist, zudem Geiger und Sprachwissenschaftler, und er hat das rechte Gespür für Campras Klangwelten. Er favorisiert forsche Tempi, setzt auf Verve und Temperament. Ein Ensemble von stilistisch erfahrenen Sängern ist versammelt – alle in mehreren Rollen besetzt. Der Baritenor Marc Mauillon gibt den Mars und Saturne mit resonantem Klang und Autorität. Der in diesem Repertoire renommierte Matthias Vidal ist Le Génie de la Terre mit stilistischer Kompetenz und tenoralem Wohllaut. Der Sopranistin Claire Lefilliâtre sind sogar drei Rollen zugeordnet – die Pallas, Bellonne und La Gloire. Sie singt sie mit recht larmoyantem Ton. Auch Florie Valiquette ist eine Sopranistin und mit La Paix sowie Une Parque (Eine Parzin) besetzt. Ihre klare, reine Stimme ist angenehmer zu hören. Der Bariton Thomas Van Essen komplettiert die Besetzung als Vulcain und Un Guerrier mit resolutem Bariton. Bernd Hoppe (15. 05. 24)

  1. Dr. Wolfgang Schlüter

    In Ihren CD-Rezensionen vermisse ich generell eine Beschreibung der aufnahmetechnischen KLangcharakteristik. Diese ist ja doch von Label zu Label recht unterschiedlich : mal großräumig, hallig, mit weitgespreiztem Panorama – mal eher ‚trocken‘ und mittenzentriert ; mal mit kräftigem Baßfundament – mel eher diskantbetont ; die Sänger mal dicht vorn am Mikrofon – mal eher entfernt integriert in die Orchestertotale ; die Bläser mal sehr nah und präsent – mal im Hintergrund ; und dazu würde auch ein Wort zur Textverständlichkeit der Chöre und Solisten gehören. Auch ein Wort zur Qualität der Booklets würde ich begrüßen.

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