Eine ungewöhnliche Aida-Aufnahme gibt es aus Rom, wo eine der ganz, ganz wenigen Studio-Produktionen unserer Zeit entstand und ihre Geburt wohl nur dem Umstand einer ungewöhnlichen Besetzung verdankt. Anja Harteros und Jonas Kaufmann, als bewährtes Traumpaar der Operngegenwart gehandelt, sangen ihre erste Aida und seinen ersten Radamès. Womit deutlich wird, dass nicht nur die Tatsache der Studioaufnahme ungewöhnlich – und das ist ganz wertfrei gemeint -, sondern auch die Gestaltung zumindest dieser Partien es ist. Wer mit Aida eine Arena-di-Verona-Produktion und Maria Chiara (oder die Met mit Leontyne Price) verbindet, wird seinen Ohren nicht trauen, wie ganz anders das Werk klingen kann. Damit soll den beiden deutschen Sängern nicht abgesprochen werden, italienische Partien singen zu können und zu dürfen, aber unüberhörbar bleiben doch die Unterschiede zu den „klassischen“ Aufnahmen, schon einmal was das Verhältnis zwischen Wortdeutung und Melodienfluss betrifft, Wobei man auch konstatieren kann, dass die beiden Künstler die Agogik-Vorgaben des Komponisten sehr ernst nehmen, auch da wo es fast unmöglich erscheint, sie einzuhalten.
Das beginnt bei Kaufmann mit „Celeste Aida“, wenn in der Arie auf ausgesprochen heldische Töne, mit denen sich viele italienische Sänger bis zum Schluss begnügen, sehr intime Passagen mit viel dolcezza folgen, ein schneller Wechsel vom Forte-„trono“ zum Piano-„Sol“ stattfindet, „del mio pensiero tu sei regina“ sehr langsam, weil nachdenklich gesungen wird, der Sänger sich als Meister des feinen Verklingens und eines wirklichen morendo am Schluss erweist. Dass er auch anders kann, zeigt das strahlende „Immenso Fthà!“ am Schluss des zweiten Bilds. Ein fast gesprochenes „sogno, delirio è questo“ ist diskussionswürdig, bewundernswert die letzte Szene, in die auch ein kleiner colpo di glottide eingebaut ist.
Anja Harteros ist eine sehr hell klingende, sehr lyrische Aida, die mit den vielen rund- und warmstimmigen Aiden der instrumentalen Stimmführung nicht allzuviel gemein hat. Zum Niederknien schön ist die Schlussszene, das „Son io“ voll tenerezza, „invan“ mit leicht bitterem Unterton, traumhaft schön „O, terra addio“ im ätherischen Schwebeton. Zuvor überstrahlte der Sopran oft die Ensembles, wurden innige „Numi, pietà“ gesungen, werden dem „patria mia“ zarte Tongespinste gewidmet, die Arie im Nilakt von einem wunderschönen C gekrönt. Aber obwohl Ludovic Tézier kein stimmorgelnder Barbarenkönig ist, klingt der Sopran bei dramatischen Anforderungen besonders in der Höhe zu hart und vor allem angestrengt.
Ungewöhnlich also auch die Besetzung des Amonasro mit einem Sänger, der mehr Wert auf kultivierten Gesang als auf vokale Überwältigung legt. Téziers „suo padre“ klingt zärtlich, als wenn die Vater ihm in diesem Moment wichtiger ist als die Herrscherrolle. Eine hochsolide Amneris der gesunden stimmlichen Mittel, höchst sparsam mit der Bruststimme umgehend und die Stimme schlank haltend, so im wirklich „fra se“ gestalteten Sehnsuchtsruf im Boudoir ist Ekaterina Semenchuk. In der dramatischen Gerichtsszene bleibt die Stimme stets rund und kontrolliert. Ihre Amneris steht in der soliden Tradition der italienischen Diven. Einzudunkeln und ihn damit manchmal dumpf werden lassend scheint Erwin Schrott seinen Bass für den Ramfis, gute Besetzungen sind Marco Spotti für den Rè, Paolo Fanale für den Messaggero und besonders aufhorchen macht Eleonora Buratto mit der Sacerdotessa. Erstklassig ist der Chor der Accademia Nazionale di Santa Cecilia, wie aus dem Nichts kommend lässt Antonio Pappano mit eben deren Orchester die Sphärenklänge zu Beginn erklingen, kontrastreich ist er auch, was die Tempi betrifft, Ballettmusik wird als solche glatt, eher beiläufig und nicht tiefgründelnd musiziert. Der Studioaufnahme folgte eine konzertante Aufführung im Renzo-Piano-Konzertsaal, die ein ungeheuer positives Echo bei Publikum und Presse fand (3 CDs, Warner Classics 0825646106639). Ingrid Wanja