Hommage an Senesino

 

Im Teatro Municipale di Piacenza hat GLOSSA im Oktober des vergangenen Jahres Händels Serenata Aci, Galatea e Polifemo aufgenommen und auf zwei CDs herausgebracht (GCD 923528). Das Besondere dieser Veröffentlichung liegt in der gewählten Fassung – der Version for Senesino aus London um 1718. Die in Sizilien spielende Handlung erzählt Ovid im 13. Buch seiner Metarmophosen: Die idyllische Liebe zwischen der Meeresnymphe Galatea und dem Hirtenknaben Acis erregt die Eifersucht des Zyklopen Polifemo, der den Hirten tötet. Auf Bitten Galateas verwandelt ihr Vater Nereus dessen Blut in einen Fluss, der sich im Meer wieder mit Galatea vereinen kann. Das Stück entstand als Auftragswerk der Herzogin Aurora Sanseverino anlässlich der Hochzeit ihrer Nichte Beatrice mit dem Herzog von Alvito. Händel hat das Stück nach der Uraufführung 1708 in Neapel immer wieder umgearbeitet. Allein am Ort der Kreation gab es 1711 und 1713 zwei Neuaufführungen, in London ab 1718 mehrere Umarbeitungen, bis die Serenade dort ein neues Libretto in englischer Sprache bekam.

GLOSSA hat der spektakulären Londoner Besetzung des Aci mit dem legendären Kastraten Rechnung getragen und für die Aufnahme den namhaften Countertenor Raffaele Pe verpflichtet. Seine Stimme ist klangvoll und gerundet, kann auch selbstbewusst auftrumpfen, wie in Acis erster Aria, „Lontan da te“, zu hören ist. Die Koloraturen von „Dell’aquila l’artigli“ geraten ihm trefflich, das wiegende Melos von „Qui l’augel da pianta“ ertönt in besonderer Klangschönheit. Seine letzte Aria,“Verso già l’alma“, ist ein Klagegesang von entrückter Stimmung, in welchem berückende Töne zu hören sind. Galatea war ursprünglich eine Altistin und wurde später für einen Sopran umgeschrieben, was der berühmten Anna Maria Strada del Po’ die Chance bot, die Partie in ihr Repertoire aufzunehmen. Sie sang sie in der letzten italienischen Wiederaufnahme des Werkes 1713. Bei GLOSSA ist die italienische Mezzosopranistin Giuseppina Bridelli zu hören. Die beiden Interpreten der Titelpartien beginnen mit dem munteren Duetto „Sorge il di“ in perfekter stimmlicher Verblendung. In Galateas erstem Solo, „Sforzano a piangere“, klingt der Mezzo reif und in der Höhe heulend, vermag die Jugendlichkeit der Nymphe nicht zu imaginieren. Besser gelingt ihr das übermütige „Benchè tuoni“, dessen Koloraturen sie keck jubiliert. In ihrer letzten Szene hört man zunächst keifende Töne im Recitativo, danach aber dramatisch aufgewühlte in „Del mar fra l’onde“.

Der berühmte Barock-Kastrat und Superstar Senesino/ Wikipedia

Der Bariton Andrea Mastroni komplettiert die Besetzung als Polifemo. Mit der Aria „Affano tiranno“ fällt ihm das erste Solo zu – die Stimme ist gewichtig und sonor, meistert aber auch die Koloraturläufe souverän. Davon profitiert die energische Aria „Ferito son d’amore“, während er in „Fra l’ombre e gli orrori“ seine stupende Extremtiefe effektvoll einsetzen kann.

Das Ensemble La Lira du Orfeo musiziert unter Leitung seines Konzertmeisters Luca Gugliemi. Mit einer zunächst gravitätischen, dann lebhaften Ouverture stimmt es auf das Geschehen ein und setzt auch in der Begleitung der Sänger (so in deren Terzetto „Delfin vivrà sul monte“ oder dem jubelnden finalen Coro „Chi ben ama“) immer wieder starke Akzente (08.10.21). Bernd Hoppe