Ohne sie hätte es die Rossini-Renaissance nicht gegeben, die Anziehungskraft des Festivals von Pesaro, ein Bologneser Publikum, das sich von den Plätzen erhebt und Beifall klatscht, als Chris Merritt den Zuschauerraum betritt, um sich eine Manon mit Raina Kabaivanska anzusehen. Er und Rockwell Blake, Raoul Gimenez und nicht zuletzt William Matteuzzi machten es möglich, dass sogar ein Rossini-Otello mit vier Tenorpartien in würdiger Weise aufgeführt werden konnte, nachdem er lange Zeit als unspielbar gegolten hatte. Ebenso verdienstvoll wie diese Herren ist seit mehr als hundert Jahren die Firma Bongiovanni, ebenfalls aus Bologna, die immer wieder Raritäten in ihr Sortiment aufnimmt, in deren Geschäft man alles findet, wenn es das Gewünschte überhaupt gibt.
Ungetrübten Genuss bereitet denn auch, sieht man von kleinen technischen Mängeln der Liveaufnahmen ab, eine CD mit Aufnahmen von William Matteuzzi aus den Jahren 1980 bis 1999, vor allem Arien von Rossini, aber auch Mozart, Puccini und Léhar, deren Darbietung allesamt die strenge Schule von Rodolfo Celletti, des italienischen Opernpapstes, und die Zusammenarbeit mit Alberto Zedda, Herausgeber kritischer Ausgaben von Rossini-Partituren, verraten.
Rossini-Tenöre werden nicht wegen ihres schönen Timbres, sondern wegen der Virtuosität ihres Singens bewundert. Bei dem Ausschnitt aus Ricciardo e Zoraide klingt die Stimme noch recht trocken, leicht meckernd, aber bereits hier kann man die reiche Agogik innerhalb einer Gesangslinie, das chiaro-scuro, den puren vokalen Übermut eines Sängers, der sich seiner Mittel sicher ist, bestaunen. Im Ausschnitt aus Le Comte Ory bemerkt der Hörer, dass der Tenor zwar hell, aber durchaus nicht farblos ist, selbst der Spitzenton ist davon nicht ausgenommen.
In Rodrigos „Ah come mai non senti“ aus Otello schraubt sich die Stimme mit hörbarer Lust in die Höhe, zeigt aber durchaus auch Qualitäten eines tenore lirico, um dann wieder zu irrsinnigen Läufen und ebensolchen Intervallsprüngen zurück zu kehren. Einen unvermuteten Touch Tragik trotz des häufigen Auftretens in Buffo-Partien zeigt der Tenor in „Ah segnar invan io tento“ aus Tancredi, bevor in der Cabaletta natürlich Virtuosität gefragt ist und in reichem Maße geboten wird. In „Vieni fra queste braccia“ aus La Gazza Ladra fällt besonders die Selbstverständlichkeit des Singens, die leichte Emission der Stimme auf, in „Terra amica“ aus Zelmira sind es die großen Bögen, ist es die in allen Lagen gleich starke Präsenz der Stimme, die entzücken, in der Cabaletta der pure vokale Übermut.
Als Ramiro aus La Cenerentola scheint er das „Giuro“ zunächst nicht ganz ernst zu nehmen, aber gemeinsam mit dem Chor geht der Sänger dann in die Vollen, vereint ein irres Tempo mit bewundernswerter Präzision.
William Matteuzzi wagte sich als einer der ersten Tenöre der Neuzeit an das Rondo des Almaviva „Cessa di più resistere“, aber mit hohen Fs wie er hat es wohl noch niemand gesungen, schon gar nicht mit piena voce, also nicht im Falsett. Auch in Lindoros „Languir per una bella“ begibt sich die Stimme in stratosphärische Höhen, bewältigt riesige Bögen und steuert dann noch ein wunderschön ruhiges Piano bei. Das Besondere dabei ist, dass alles äußerst spielerisch, mit hörbarer Freude gesungen wird.
Hoch poetisch ist seine „Aura amorosa“, die zweite Strophe im Piano, mit Schwelltönen, in großer Ruhe und doch spannungsreich dargeboten. Sehr elegant klingt Cimarosa „Pria che spunti“ aus Il Matrimonio segreto, emphatisch und humorvoll zugleich Rinuccios „Firenze è come un albero fiorito“; süffig wie man es von einer Rossinistimme nicht erwartet hätte, Camilles „Come di rose“ aus der Lustigen Witwe. Und Arturos „Credeasi misera“ dürfte alle Tenöre erblassen lassen ob der Höhensicherheit- nur böse Neider würden da von einem Pfauenschrei sprechen, den die ersten Hörer eines Do di petto einst zu vernehmen glaubten. Orchester und Dirigenten werden nicht genannt im an sich informationsreichen Booklet, aber auf die kommt es hier auch nicht so sehr an GB 1210-2). Ingrid Wanja