Der schöne grüne Jungfernkranz wird nicht gewunden. Auch vier weitere Nummern opferte Laurence Equilbey ohne Not, so dass ihr Freischütz, der, man muss er fairerweise sagen, hier als The Freischütz Projekt mit der Unterzeile Highlights from Der Freischütz firmiert, mit knapp unter 80 Minuten Spielzeit bequem auf eine CD passt (Erato CD und DVD 0190295109547). Im Frühjahr 2019 war dieses Projekt von Caen über Wien und Ludwigsburg nach Luxembourg gereist und schließlich in Paris angekommen, wo im Oktober desselben Jahres im CD und DVD entstanden. Das Ergebnis lässt ratlos. Nicht etwa, dass der französischen Dirigentin und Chorleiterin, die ihren 1991 gegründeten Chor accentus und das 2012 installierte Insula Orchestra um sich versammelt hat, der Zugriff für diese Musik fehlt. Im Gegenteil, die Harnoncourt-Schülerin spürt in Webers Partitur eine naturnahe Schlichtheit und Idylle auf, verwirklicht eine traumzarte Weichheit und biedermeierlich tänzerische Bewegtheit, hinter der allerdings nie böse Alpträume und Dämonen lauern oder sich Abgründe auftun. Dazu die Dirigentin: „Die beiden letzten bahnbrechenden Aufnahmen, von Carlos Kleiber und in jüngerer Zeit von Nikolaus Harnoncourt, sind außergewöhnlich und wurde mit modernen Instrumenten eingespielt. Geleichzeitig gibt es praktisch keine Aufnahmen mit historischen Instrumenten. Erstaunlicherweise haben sich Originalklangensembles, obwohl diese Oper der Ausgangspunkt für große musikalische Innovationen war, immer noch sehr wenig mit ihr beschäftigt. Das war der Auslöser für unsere Arbeit mit dem Werk.“ Equilbey setzt also auf eine historisch informierte Aufführungspraxis und einen durchsichtig leichten, mit vielen instrumentalen Feinheiten durchsetze Klang, dem auch die Besetzung folgt: Johanni van Oostrum als schlicht innige und mit gutem Legato singende Agathe, Chiara Skerath als robustes, gar nicht soubrettiges Ännchen, der geschmackvolle und musikalische Stanislas de Barbeyrac als romantischer Max, der nur selten bei greinendem Einheitston spüren lässt, dass dies momentan eine Grenzpartie für ihn sein dürfte, Vladimir Baykov mit rauem Bariton als Kaspar, Christian Immler als Eremit und Samiel-Sprecher sowie Daniel Schmutzhard als Ottokar.
Auch die auf DVD festgehaltene provinzielle Inszenierung (mit leichten Abweichungen gegenüber der CD) macht die Aufnahme nicht attraktiver. Der musikalischen Poesie stellen Clément Debailleul und Raphael Navarro von der Compagnie 14:20, die in ihren Projekten eine „Magie nouvelle“ hochhält, eine nachtgraue Dunkelheit entgegen. Graugrünbraune Einheitskleidung für den Chor, die bei den Solisten durchaus auch von einer hautecouturehaften Finesse sein kann (Kostüme: Siegrid Petit-Imbert), dunkle Bühne, schlichte Versatzstücke, simples Bühnenspiel mit symbolbeladenen Gesten und Lichtern (Bühnenbild und Video stammen von Debailleul), wirkungsvolle Bühneneffekte, vor allem aber ein dekorativer Samiel (Clément Dazin), der Max als sein Doppelgänger begleitet, ohne mit ihm zu agieren. In manchen Momenten erinnert diese dunkelschwarze Romanik von 14:20 von ganz, ganz fern an Bob Wilsons Black Hunter , doch in weiten Teilen bleibt dieses Freischütz-Projekt eine banale, bestenfalls gefällige Arbeit, die den dramatischen Konflikt des Werkes kaum anreißt. Harmlos und ein wenig prätentiös. Rolf Fath