Einer für alle

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Warum wohl änderte Christof Loy die von Pucccini für sein Trittico vorgesehene Reihenfolge von Il Tabarro, Suor Angelica und Gianni Schicchi in Gianni Schicchi, Il Tabarro und Suor Angelica? Wollte er 2022 in Salzburg dem Publikum das befreiende Gelächter nach dem veristischen Reißer und dem frommen Rührstück versagen? Oder hatte er ganz einfach erkannt, dass seine Protagonistin für alle drei Einakter, die Sopranistin Asmik Grigorian,  sich nur so vom Einsingen als Lauretta über Giorgetta als ein Glied des Trio infernal zur Primadonna assoluta einer Angelica steigern konnte? Entsprechend jedenfalls fiel der Beifall für sie aus, der sich von freundlich über herzlich bis zu frenetisch steigern konnte. Bedenklich stimmt die Besetzung der drei Partien trotzdem, denn die Lauretta der Grigorian erreichte nicht die sich einschmeichelnde Dolcezza der Besten in dieser Partie, ihre Giorgetta musste sich davor schützen, sich ganz zu verausgaben, denn für die Suor Angelica brauchte sie noch lyrische Leuchtkraft sowie für das „Senza Mamma“ gebändigte Expressivität und ein wunderschönes Diminuendo zum Schluss.

Bei Christof Loy kann der geplagte Opernfreund davor sicher sein, Geschmacklosigkeiten und Entstellungen ertragen zu müssen, auch wenn seine Inszenierungen immer ein wenig kalt wirken. Kahl und riesig ist das Gemach (Bühne Ètienne Pluss), in dem Buoso Donati sein Leben ausgehaucht hat. Die Verwandtschaft in Fünfzigerjahreskostümen (Barbara Drosihn) sitzt (wie in unendlich vielen anderen Produktionen bisher) aufgereiht an einer Wand, ist bereits beim Leichenschmaus, der natürlich aus Spaghetti Bolognese besteht, während die Besetzung alles andere als italienisch ist. Viele lustige Details unterhalten das Publikum bestens, so wenn einige Familienmitglieder sich bereits am Tafelsilber und anderem bereichern oder die Kerzen auslöschen, da das Geld dafür vom Erbe abgehen könnte.

Ein mächtiges Trumm von einem Kerl ist der Gianni Schicchi von Misha Kiria, einem georgischen Sänger mit einem vollmundigen Bariton voller Farbe, Saft und Kraft. Ihm nimmt man eher machtvollen körperlichen Einsatz als hinterlistigen Witz ab. Alexey Nekklyudov ist Rinuccio, optisch attraktiv,  mit einem durchdringenden „Firenze“ ohne Tenorschmelz und Poesie, dazu enger Höhe. Optisch wie akustisch ragt aus der Schar der Verwandtschaft Scott Wilde als Simone heraus. Auch Enkelejda Shkosa, die noch in zwei weiteren Partien zu erleben ist, kann als Zita mit üppigem Mezzosopran reüssieren. Insgesamt ist leider viel von dem, was der Italiener „a squarcia gola“ nennt, zu vernehmen. Feiner und italienischer hören sich die Wiener Philharmoniker unter Franz Welser-Möst an.

Viel zusätzliches Personal, so Midinetten und Tänzer gibt es für Il Tabarro, ohne dass das Stück dadurch bereichert erscheint, auch Un amante wie Un‘ amante dürfen sich länger auf der Szene tummeln als vorgesehen. Ein riesiger Schleppkahn, vor dem man ein Wohnzimmer samt Stehlampe aufgebaut hat, beherrscht die Szene. Asmik Grigorian ist eine Jean-Harlow-Kopie, für die sich die Regie viele schlüssige Details ausgedacht hat, so wenn sie erst das Antlitz des Gatten zärtlich berührt, sich dann aber verstohlen die Hand abwischt. Eine ausgefeilte Personenregie kann auch hier überzeugen. Scott Wilde und Enkelejda Shkosa , später noch Suora Zelatrice, sind auch als Il Talpa und La Frugola darstellerisch wie vokal ein Gewinn, zu ihnen gesellt sich als ebensolcher Andrea Giovannini als Il Tinca. Hell und strahlend, aber doch recht kühl bleibend, füllt Asmik Grigorian die Partie der Giorgetta aus. Schon einmal optisch ideal rollendeckend sind Roman Burdenko als Michele und Joshua Guerrero als Luigi. Vokal hat Ersterer Wärme wie Autorität in seinem Bariton, während der Tenor mit einheitlich dunklem Timbre, weniger mit erotischem Flair punkten kann.

Die Nonnentracht ist kaum modischen Zwängen unterworfen, und so kann man lediglich am Kostüm der Zia Principessa, ein strenger Hosenanzug zu ebensolchem Herrenhaarschnitt, festmachen, dass auch hier die Handlung in moderne Zeiten verlegt wurde. Recht idyllisch und in freundlicher Atmosphäre spielt sich das Leben im Kloster ab, am Schluss gibt es keine Marienerscheinung und keinen tödlichen Trank, sondern Angelica sticht sich mit einer Schere beide Augen aus, ihr Kind läuft auf sie zu und umarmt sie. Davor allerdings zeigte die Nonne durchaus weltliche Gelüste, wenn sie sich aus einem Koffer mit Kleinem Schwarzen und Lippenstift fein machte und genussvoll eine Zigarette rauchte. Viel Wärme in ihrem Mezzosopran hat Hanna Schwarz als Badessa, während Karita Mattila trotz einschüchternder Optik weder darstellerisch noch vokal die Eiseskälte der Zia Principessa vermitteln konnte. Asmik Grigorian hingegen bewältigte zwar alle drei Partien, doch ist ihre achtenswerte Leistung durchaus kein Plädoyer für die Besetzung mit nur einer Sängerin (Major 809004). Ingrid Wanja