Ehrenrettung

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Jahrzehntelang kam kein deutsches Opernhaus ohne sie aus, jahrzehntelang danach sind sie so gut wie von den Bühnen verschwunden, die Spielopern oder Singspiele der Flotow, Nikolai oder besonders Albert Lortzings, an dessen Undine, Wildschütz, Zar und Zimmermann oder Waffenschmied, etwas weniger an der Revolutionsoper Regine sich Generationen von Opernbesuchern erfreut haben. Nur gelegentlich taucht die eine oder andere wieder auf einem Spielplan auf, so Die Lustigen Weiber von Windsor an der Berliner Staatsoper oder in der kommenden Spielzeit in Brandenburg, doch ins Gedächtnis eingeprägt hat sich Martha in der liebevoll ironischen Inszenierung von Loriot in Stuttgart, auch schon Jahrzehnte her, und der Berliner wird sich an Winfried Bauernfeinds Inszenierungen von Zar und Zimmermann oder Die lustigen Weiber von Windsor an der Deutschen Oper mit ihren wunderschönen Bühnenbildern erinnern. Die heftigen Regie-Opernschlachten tobten um Wagner und Verdi, deren Werke das aushalten können, die Spielopern wurden des Kampfes nicht für wert befunden, hätten ihn wahrscheinlich auch nicht überlebt.

Da ist es schon verwunderlich, dass 2022 eine 2019 entstandene Aufnahme einer unbekannten Lortzing-Oper  mit dem Titel Zum Groß-Admiral auf dem Markt erschienen ist, immerhin gestaltet vom Münchner Rundfunkorchester unter Ulf Schirmer und mit ansehnlicher Solistenbesetzung. Drei Paare bilden außer dem unvermeidlichen Bass à la klug und weisem Bürgermeister van Bett oder für 5000 Taler auf sein Gretchen verzichtendem Baculus das Personal: Prinz Heinrich von England und seine Gattin Catharina von Frankreich, Richard Graf von Rochester und seine allerdings nicht auf der Bühne erscheinende Clara, Betty, seine zunächst unerkannt ins Wirtshaus zum Groß-Admiral und dessen Wirt Copp Mavbrai verschlagene Nichte, und deren Liebhaber Edward, eigentlich Page, gegenüber Betty aber zunächst als Musiklehrer auftretend. Stoff für Irrungen und Wirrungen gibt es also genug, und wie vorauszusehen, gibt es am Ende drei glückliche Paare. Das Libretto nach Alexandre Duval von ist in einem  für uns heute  schwierigen Deutsch, Lortzing selbst anzulasten, gehalten, zu Glück hat sich der gesprochenen Dialoge Paul Esperanza angenommen.

Die Werkgeschichte ist keine glückliche, denn obwohl die Uraufführung in Leipzig 1847 und die Wiener Erstaufführung 1849 den Beifall des Publikums fanden, war der Erfolg kein nachhaltiger, wohl auch wegen der vernichtenden Kritik von Eduard Hanslick.

Die Ouvertüre ist ungeheuer rasant, das Orchester macht also durchaus erst einmal Lust auf das Stück. Amüsant ist auch ein Duett, in dem es ein Hin und Her zwischen Rokoko-Schäferromantik und Biedermeier gibt, Orchester und Chor holen alles an musikalischem Esprit aus dem Stück heraus, was darin zu finden ist. Es gibt aber auch lange, zu lange Duette und Ensembleszenen und nicht die Ohrwürmer, die man aus anderen Lortzing-Opern kennt.  Angemessen ist die Besetzung mit dem angenehmen lyrischen Tenor Bernhard Berchtold als Prinz Heinrich, der, als Seemann verkleidet, eine hübsche Barcarole singt. Jonathan Michie ist mit typischem, damit angemessenem Kavaliersbariton Rochester, Martin Blasius lässt als Capp Mavbrai durchaus  vernehmen, welch große Erfahrung er mit komischen Bassrollen hat, leider aber auch, dass die ermüdete Stimme nicht mehr allen Intentionen gehorcht. Von den drei Sopranen hebt sich die warm timbrierte Stimme von Julia Sophie Wagner in der Hosenrolle des Eduard am stärksten von den beiden anderen beiden Damen ab, von denen Lavinia Dames eher Soubrettenqualitäten als Betty, Anett Fritsch die eines lyrischen Soprans als Catharina aufweist. Höchst angenehm anzuhören sind sie alle drei.

Nach einer Wiederausgrabung einer historischen Aufnahme des Berliner Vorkriegsrundfunks von 1937 (im Tonarchiv des rbb; drastisch gekürzt und bearbeitet und vor ein paar Jahren auch im rbb gesendet) gab es in  Annaberg unter der Ägide von Ingolf Huhn vor einigen Jahren auch eine szenische Aufführung der rekonstruierten Fassung, eine Wiederentdeckung für das Repertoire hat sich daraus nicht ergeben, eher dürften die bekannten, in der letzten Zeit arg vernachlässigten Werke des Komponisten auf ein Revival hoffen (cpo 555 133-2). Ingrid Wanja