Deutsch-Polnisch-Italienisches

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Viel weniger bekannt als die drei Tudor-Opern Gaetano Donizettis ist Gioachini Rossinis Elisabetta regina d’Inghilterra, für Neapel komponiert und deshalb von vornherein unter einem schlechten Stern stehend, denn der erträumte Protegé, Napoleons Schwager, Marschall und König von Neapel, Jerome Murat, war gerade vom Thron der beiden Sizilien verjagt worden, und die Bourbonen waren zurückgekehrt. Trotzdem war das Werk durchaus ein Erfolg, irritiert allerdings heutige Hörer dadurch, dass die Sinfonia identisch ist mit der vom Barbiere di Siviglia, zu der sie in ihrer munteren Beschwingtheit weit eher zu passen scheint als zu der mit einem Verzicht auf den geliebten Leicester endenden Oper des Schwans von Pesaro. Die endet nicht so blutig wie Donizettis Maria Stuarda, die den Grafen zwischen zwei Königinnen stehend zeigt, bei Rossini ist er bereits glücklich verheiratet, einer Intrige  des Herzogs von Norfolk ausgesetzt, aber dem Schafott entgehend, weil sich Elisabetta dafür entscheidet, der Liebe zu entsagen und nur noch Landesmutter zu sein. So hat sie zwar am Schluss auch ihre große Szene, aber die ist anders als bei Donizettis Roberto Devereux nicht eine des Verzichts, sondern eine der Selbstbesinnung.

Wirft man einen ersten Blick auf das Cover der bei Naxos erscheinenden CD, denkt man, es handele sich dabei um eine polnische Produktion, denn Orchester und Chor sind die aus Krakau. Auch in der polnischen Stadt wurden Teile der CD aufgenommen, inszeniert wurde aber in Bad Wildbad zu den Rossini-Festspielen im Jahre 2021. Auf westlichen Bühnen bedient man sich noch immer gern aus dem ehemaligen Ostblock stammender Orchester und Chöre, so auch in Martina Franca, deren Mitglieder gern ihr Können an Orten, wo andere Urlaub machen, zur Schau stellen. Die Inszenierung stammte übrigens vom Begründer der Rossini-Festspiele Jörg Schönleber, für deren Authentizität lange Jahre Alberto Zedda und William Matteuzzi garantierten.

Den Genuss der beiden CDs wesentlich erhöhen kann die Lektüre des Booklets, das vom Rossini-Kenner Reto Müller gestaltet wurde und wertvolle Informationen über das Werk liefert. Zwar gibt es kein Libretto im Booklet, aber eine sehr ausführliche Inhaltsangabe auch in deutscher Sprache.

Die anspruchsvolle Partie der Elisabetta ( komponiert für Isabella Colbran) wird  hier nun von  Serena Farnocchia gesungen, die einen sehr jung klingenden, leuchtenden Sopran dafür einsetzen kann, auch in der Höhe meistens angenehm zart, unter Druck auch einmal schrill werdend, insgesamt wünscht man sich, obwohl die Sängerin zunehmend an ihrer Aufgabe zu wachsen scheint, etwas mehr Majestät in der Stimme, obwohl sie sich bemüht, ihr einen intriganten Anstrich zu geben, ehe der Entschluss zum Verzicht gereift ist.  Matilde, die Gattin des umschwärmten Leicester, ist ebenfalls ein Sopran, Veronica Marini, und gestaltet sehr schön die Verzierungen ihrer Partie, empfindsam klingt ihr „Sento un’interna voce“, sie klingt zugleich anmutig und virtuos.

Es gibt nicht vier, wie im Otello, aber immerhin drei Tenöre, die des Intriganten wurde sogar für Manuel Garcia komponiert. Merit Süngü, der eher ein Charaktertenor ist, singt einigermaßen virtuos, aber mit wenig Substanz in der sich manchmal nur mit Mühe gegenüber dem Orchester durchsetzenden Stimme. Leicester ist Patrick Kabongo mit weichem, fein konturiertem Tenor, mit guter Höhe und dem Wissen um die Bedeutung der Rezitative. Die Spitzentöne sind kraftvoll, sein „Sposa amata“ klingt empfindsam, allerdings darf man mit einem Rockwell Blake oder Chris Merrill nicht vergleichen, aber Bad Wildbad war ja nie berühmt für Starauftritte, sondern für die Entdeckung und Förderung junger Talente, was hoch verdienstvoll ist. Eher ein Stichwortgeber ist der Guglielmo von Luis Aguilar, aber er scheint ein schönes Timbre zu besitzen.

Für Italianità im Orchester sorgt Antonino Fogliani, der Chor war wohl nicht  immer optimal für eine Aufnahme platziert, schlägt sich aber  achtbar. Da die wie die Sinfonia aus anderen Opern Rossinis stammenden Tracks aus weniger bekannten Werken stammen, stört der Pasticcio-Charakter der Elisabetta kaum (Naxos 2 CD. 8.660538-9). Ingrid Wanja