Alagna mit blasser Partnerin

 

Eine Aufnahme von Emma Calvé, für deren Stimmbänder Jules Massenet die Anita in der Kurzoper La Navarraise komponiert hatte, ist in dieser Partie nicht überliefert, wohl aber Carmen und anderes, und sie lassen eine dunkel timbrierte, aber auch zu Sopranhöhen aufsteigende Stimme hören. Deshalb ist eher nachvollziehbar, dass Elina Garanca gemeinsam mit Roberto Alagna das Werk konzertant aufführte, es davon auch eine Aufnahme gibt, die aber nicht auf den Markt kam (youtube). Zudem ist an Aufnahmen kein Mangel – die Einspielungen mit Marilyn Horne oder Lucia Popp sind ja noch greifbar (Decca/ Sony). Und die schöne alte mit der wunderbaren Genevieve Moizan und Alain Vanzo vom französischen Rundfunk 1963 (zuletzt auf Chant du Monde) sollte nicht vergessen werden.

Jetzt gibt es bei Warner Classics eine 45 Minuten dauernde CD, auf der Aleksandra Kurzak in der Rolle der Anita dem Gatten auch Gesangspartnerin ist. Verismo-Experte Alberto Veronesi begleitet mit dem Opera Orchestra of New York und kostet mit diesem nicht nur das wunderschöne Nocturne aus, sondern auch die Mitwirkung von Glocken, spanisches Kolorit und Schlachtenlärm, Elemente, die einen Kritiker zu dem scherzhaft gemeinten Untertitel Cavalleria espanola inspirierten. Wie viele Opern Massenets wurde auch diese im Ausland uraufgeführt, in London und mit großem Erfolg. Königin Victoria lud das Ensemble nach Windsor zu einer Privatvorstellung ein.

Das Stück, das es zwar auf zwei Akte, aber nur auf eine Dreiviertelstunde Spieldauer bringt, spielt im Baskenland zur Zeit eines der vielen Kriege zwischen Carlisten und Liberalen. Letztere stehen kurz vor einer endgültigen Niederlage. Der Soldat Araquil und die arme Anita aus Navarra lieben einander, der reiche Vater Araquils will aber nur eine Schwiegertochter mit einer Aussteuer von mindestens Douros tolerieren. Als Anita den Anführer der Liberalen Garrido sagen hört, er würde jede Summe an denjenigen zahlen, der den Tod seines Feindes verursachen könnte, eilt Anita ins feindliche Lager und ermordet denselben. Araquil indessen denkt, sie sei ihm untreu geworden, schließlich, sie habe sich an den Feldherrn verkauft, eilt ihr nach, wird verwundet und erfährt sterbend die Wahrheit. Anita wird wahnsinnig, und mit einer schrecklich grellen Lache, die das bezeugt, endet die Oper.

Was bereits für die jüngst erschienene CD mit Puccini-Duetten gilt, ist auch auf dieser CD nicht zu überhören. Die Stimme des Tenors ist viel reifer, d.h. auch farbiger, dramatischer und ausdrucksvoller als die des Soprans, der für Verismo-Partien wie diese an, wenn nicht über die Grenzen seines Vermögens gerät. Schön und innig gesungen ist das Gebet zu Beginn, verhuscht klingt der Sopran im ersten Duett mit dem Tenor, in ihrer Klage über die Höhe der Mitgift kann er in der Höhe nicht nach Hörerwunsch aufblühen und  versöhnt erst wieder im Duett mit dem Bariton mit feinem Sehnsuchtsklang, ehe er am Schluss, aber das soll dann wohl den beginnenden Wahnsinn ausdrücken, schrill wird. Perfekt gibt der Tenor die fiebrige Sehnsucht, die den Araquil beherrscht, wieder, agogikreich und zu dramatischen Aufschwüngen fähig. Garrido ist George Andguladze mit dumpfer Stimme, der auf die Mitgift versessene Vater Remigio wird markant von Brian Kontes verkörpert, in kleinen Partien gefallen Issachan Savage als Ramon und mit einem Soldatenliedchen Michael Anthony McGee als Bustamente. Bei Alberto Veronesi war 2018 das Stück, das man zu einem Zwilling von Cavalleria oder Pagliacci machen könnte, wie bereits erwähnt in den denkbar erfahrensten Händen (Warner Classics 01900295605704). Ingrid Wanja