Albrecht Wenzel Eusebius von Waldstein gen. Wallenstein (1583-1634) war eine der letzten Heldengestalten der Weltgeschichte. Immer wieder stand er auch im Fokus des Interesses von Komponisten, denkt man Bedřich Smetanas Tondichtung Wallensteins Lager von 1859 oder auch Vincent d’Indys sinfonisches Triptychon Wallenstein von 1871, beides nach Friedrich von Schiller, auch die Oper von Jaromir Weinberger (die Aufnahme bei cpo unter Cornelius Meister wurde in operalounge.de besprochen). Ein weiterer Komponist, der sich des legendären Feldherrn des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) annahm, war Josef Gabriel Rheinberger (1839-1901). Dieser wird aufgrund seiner langen Wirkungszeit in München, wo er ab 1851 lebte, heute häufig fälschlicherweise als deutscher Komponist angesehen, war jedoch tatsächlich ein in Vaduz gebürtiger Liechtensteiner. Zu Lebzeiten hochgeschätzt und dekoriert (Nobilitierung zum Ritter von Rheinberger 1895 durch den bayerischen Prinzregenten Luitpold), steht er mittlerweile im Schatten anderer. In praktisch allen musikalischen Genres tätig, erlangte er besonders auf dem Gebiet der geistlichen Musik Bedeutung (viele Messen, Kantaten und Motetten, drei Requiems und zahllose Orgelwerke), schrieb aber auch zwei Opern und drei Singspiele.
Den 300. Jahrestag der Gründung des Fürstentums Liechtenstein, das in dieser Form seit 1719 besteht, nahm das Label Ars zum Anlass, das Sinfonische Tongemälde d-Moll op. 10 Wallenstein erstmals einzuspielen (ARS38284). Es agiert das Sinfonieorchester Liechtenstein unter seinem ehemaligen Chefdirigenten Florian Krumpöck. Idiomatischer geht es nicht. Der erst 1988 ins Leben gerufene und einzige professionelle liechtensteinische Klangkörper braucht keine Vergleiche zu scheuen, was auch für die zwischen 28. und 30. Jänner 2019 im SAL (Saal am Lindaplatz) in Schaan entstandene Aufnahme gilt, die als hybride SACD im DSD-Verfahren vorgelegt wird und höchsten klanglichen Ansprüchen genügt.
Wie bei Smetana und d’Indy war es für Rheinberger weniger der historische Wallenstein als Schillers literarische Verarbeitung des Stoffes, die seiner Komposition von 1866 zugrunde lag. Dafür spricht bereits die Bezeichnung der vier Sätze, welche sich gliedern in Vorspiel (gut 14 Minuten), Thekla (gut 10 Minuten), Wallensteins Lager (10 Minuten) und Wallensteins Tod (15 Minuten), zusammen also ein etwa 50-minütiges Werk ergeben. Rheinberger gelang das Kunststück, sowohl die Verfechter der absoluten Musik als auch die Anhänger der seinerzeit in Mode gekommenen Tondichtungen für sich einzunehmen. So firmierte das Stück in seinen ersten Aufführungen als „eine Sinfonie in vier Sätzen“, um in der Druckausgabe doch noch als „Sinfonisches Tongemälde“ durchzugehen. Der Kopfsatz gibt ein farbiges Portrait der Titelfigur, während sich der langsame, sehr verinnerlichte zweite Satz Wallensteins Tochter Thekla (historisch: Maria Elisabeth) widmet. Der durchaus als Scherzo zu bezeichnende dritte Satz kommt marschartig-deftig daher und schildert in seiner lebensbejahenden Leichtigkeit das turbulente Lagerleben im Felde. Im düsteren Finale schließlich deutet sich das unausweichliche Schicksal des Helden bereits früh an, der alle Warnungen in den Wind schlägt und schließlich der berühmten Verschwörung zum Opfer fällt.
Eine wirklich hörenswerte Ausgrabung im weniger bekannten sinfonischen Repertoire der Romantik, die gerade auch aufgrund des historischen Hintergrundes für den Musikfreund von Interesse ist, selbst wenn der ganz große Aha-Effekt ausbleibt. Das beiliegende ausführliche deutsch-englische Booklet ist tadellos und macht Lust auf mehr. Es darf auf eine Fortsetzung aus Liechtenstein gehofft werden. Daniel Hauser