In den letzten Jahren hat sich einiges getan in Sachen des tschechischen Komponisten Josef Suk (1874-1935), der mittlerweile nicht mehr bloß als der Schwiegersohn von Antonín Dvořák, sondern als ganz eigenständiger Komöponist gesehen wird. Ein Gros dieses Ansehens beruht fraglos auf der 1905/06 entstandenen, Requiem-artigen Asrael-Sinfonie, die eigentlich seine zweite war – die erste entstand bereits zwischen 1897 und 1899 – und mit dem Untertitel Dem Andenken Antonín Dvořáks und seiner Tochter, meiner Gattin Ottilie bezeichnet ist. Die ganze Tragödie, die sich hinter der Entstehung dieses Werkes verbirgt, ist bereits in dieser Widmung ersichtlich. Ursprünglich der Erinnerung an den Schwiegervater zugedacht, gelten die ersten drei Sätze diesem. Der zunächst angedachte Optimismus für den Abschluss der Sinfonie wurde freilich nach dem Ableben von Suks Gemahlin verworfen, die ihrem Vater nur ein gutes Jahr später ebenfalls ins Grab folgte. Völlig einzigartig dürfte die Konzeption dieser beiden Sätze Nr. 4 und Nr. 5 sein, nacheinander zwei Adagios, der Finalsatz zudem mit e maestoso angereichert. Das Werk ist insofern gleichsam zweigeteilt. Der Namensgeber Asrael, der Engel des Todes, bestimmt das Hauptmotiv der Sinfonie, vom unerbittlichen Beginn bis zum dann doch versöhnlichen Ende im Stile eines feierlichen Fernchorals. Ein wenig Ziellosigkeit mit gelegentlichen Längen auf dem langen Wege bis dorthin mag der Grund sein, wieso sich Asrael letztlich nicht im Standardrepertoire durchsetzen konnte.
An Einspielungen besteht mittlerweile kein Mangel mehr, so dass man vielmehr die Qual der Wahl hat, welche nun durch die Neuerscheinung des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks unter Jakub Hrůša (BR-Klassik 900188) noch erweitert wird. Hrůša, mit kaum vierzig der wohl aussichtsreichste unter den jüngeren Dirigenten Tschechiens, steht seit 2016 nicht nur den Bamberger Symphonikern als Chefdirigent vor, sondern ist als Erster Gastdirigent der Tschechischen Philharmonie wie auch des Philharmonia Orchestra in London zudem die Nummer zwei weiterer weltweit führender Klangkörper. Es sind dann auch vornehmlich Einspielungen seiner eigenen Landsleute, gegen welche die Neuproduktion bestehen muss, angefangen bei Václav Talich (Supraphon) und Karel Ančerl (SWR Classic) über gar zwei Aufnahmen von Václav Neumann (Supraphon) bis hin zu Jiří Bělohlávek mit ebenfalls zwei Einspielungen (Supraphon und Decca) und zuletzt Tomáš Netopil (Oehms). Den Fels in der Brandung stellt für mein Dafürhalten nach wie vor die Aufnahme unter Rafael Kubelík dar (Panton). Nicht zu vergessen, dass Hrůša das Werk bereits 2013 selbst mit dem Tokyo Metropolitan Symphony Orchestra vorgelegt hat (Exton). Und damit hat man dann noch etliche weitere Aufnahmen gar nicht berücksichtigt, von Claus Peter Flor (BIS) und Kirill Petrenko (cpo) bis gar zu Jewgeni Swetlanow (Russian Disc). Die Konkurrenz ist als groß und hochrangig. Klanglich kann sich die zwischen 18. und 20. Oktober 2018 in der Münchner Philharmonie im Gasteig produzierte Neueinspielung des BR freilich ganz vorne behaupten. Gegenüber seiner eigenen früheren Einspielung aus Tokio hat Hrůša die Tempi pro Satz im Schnitt um etwa eine halbe Minute verbreitert und kommt nun auf knapp 63 Minuten Gesamtspielzeit. Wenn ich das richtig überblicke, hat er damit tatsächlich die nach Kubelík (64:15) langsamste Interpretation vorgelegt. Nun soll dies per se kein Qualitätskriterium sein, doch darf guten Gewissens behauptet werden, dass die künstlerische Qualität der neuen BR-Aufnahme derjenigen der alten BR-Aufnahme – auch Kubelík dirigierte seinerzeit des BR-Symphonieorchester – sehr nahe kommt und auch die Tokioer Erstaufnahme übertrifft. Insofern eine weitere Bereicherung der gar nicht mehr so schmalen Suk-Diskographie. Die Textbeilage (Einführungstext von Matthias Corvin) ist sehr adäquat (Weitere Information zu den CDs/DVDs im Fachhandel, bei allen relevanten Versendern und bei www.naxosdirekt.de.). Daniel Hauser