Nicht nur der Frühling lässt sein blaues Band durch die Lüfte flattern, auch das markante blaue Naxos-Label hat einen ganzen Strauß neuer Aufnahmen aus allen nur erdenklichen musikalischen Bereichen und Epochen herausgebracht. Man muss die Kreativität und die editorische Sorgfalt jener Menschen bewundern, die hinter diesem inzwischen schon traditionsreichen Label stehen. Vielen jungen Künstlern wird hier ein Forum geboten, vergessene alte ebenso wie hörenswerte neue Kompositionen werden in einer schier unglaublichen Vielfalt produziert. Und man kann immer wieder wunderbare Entdeckungen machen.
Auf der CD Sarasate, Music for Violin 4 (8.572276) finden sich Fantasien über Mozarts Don Giovanni und Webers Freischütz, die – von der jungen Geigerin Tianwa Yang mit schönem lyrischen Ton vorgetragen – auf Anhieb bezaubern und die Ohrwürmer aus den beiden Opern in ungewohnter Form präsentieren. Der Gitarristin Kyuhee Park ist eine Solo-CD (8.573225) gewidmet, auf der die Gewinnerin der „Alhambra International Guitar Competition“ mit Sonaten von Scarlatti, Diabelli, u.a. brilliert. Weit zurück in die Musikgeschichte führt die Naxos-CD 8.573119. Die Organistin Julia Brown spielt Werke von Heinrich Scheidemann (1595-1663). Mit der Fantasie über „Vom Himmel hoch“ begegnet man auch hier alten Bekannten. Aber auch lebende Komponisten kommen bei Naxos durchaus zum Zuge: Peteris Vasks (Jahrgang 1946) ist eine CD ausschließlich mit Werken für Flöte gewidmet (8.572634) Chorwerke der beiden Briten Jeremy Filsell und David Briggs finden sich auf einer weiteren Neuerscheinung (8.573111).
Der Böhme Bohuslav Martinu hat neben Orchesterwerken auch zahlreiche Lieder geschrieben. Auf der CD Songs 2 (8.572) interpretiert die Mezzo-Sopranistin Jana Wallingerova leider nicht ohne ein Quentchen Schärfe in der Stimme diese reizvollen Miniaturen im Volkston. Das australische Kungsbacka Piano Trio stellt Kammermusik von Gabriel Fauré vor (8.573042), der Pianist Idil Biret nimmt sich auf zwei CDs (8.57301-02) des gesamten Klavierwerks von Paul Hindemith an, selten gehörte Stücke, die durch die Originalität der musikalischen Einfälle beeindrucken. Die vierte Symphonie von Sergey Prokofiev spielte das Sao Paulo Symphony Orchestra unter der Dirigentin Marin Alsop in der revidierten Fassung von 1947 ein, die CD (8.573186) enthält außerdem die Ballett-Musik zu L’enfant prodigue von 1928. Reizvoll ist die Kombination des 1. Violinkonzerts von Dimitry Shostakovich mit Gesungene Zeit von Wolfgang Rihm. Der Geiger Jaap van Zweden interpretiert beide Werke mit bewundernswerter Virtuosität und Kompetenz (8.573271).
Gleich zwei CDs würdigen den ungarisch-stämmigen amerikanischen Komponisten Miklós Rózsa, der vor allem durch seine Film-Musiken größere Popularität erlangt hat. Wer erinnert sich nicht an seine, die Spannung noch steigernde Musik zum Wagenrennen in „Ben Hur“? Das BBC Philharmonic Orchestra unter Rumon Gamba hat auf der prall gefüllten Film-Music-CD – die bei Chandos herausgegeben wurde (CHAN 10806) – noch zusätzlich die Suiten „Dieb von Bagdad“, „Dschungel-Buch“ und „Sahara“ eingespielt. Sie wecken schöne Erinnerungen an diese alten, heute schon als Kult gehandelten Filme. Mit einem ganz anderen Rozsa – und damit zurück zu Naxos – macht die Einspielung seiner Streichquartette und des Streichtrios bekannt. Roszsa, der ursprünglich in Leipzig Musik studiert hatte, übrigens gleichzeitig mit Wolfgang Fortner, kann zur gemäßigten Moderne gezählt werden. Seine Kammermusik enthält Anklänge an die ungarische Folklore, hat aber einen durchaus eigenständigen Charakter. Dem jungen britischen Tippett-Quartett gelingt auf der eine überzeugende Interpretation (8.572903).
Peter Sommeregger